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Buchtipp: Tonino Guerra "Scheuer Vogel Traum"
Ein Lesebuch, herausgegeben und übersetzt von Elsbeth Gut Bozzetti, mit den besten Texte von Tonino Guerra, der als Drehbuchautor, Dichter, Geschichtenerfinder und -erzähler, als Maler, Zeichner, Gestalter eine eigene poetische Welt erschaffen hat.

Ein Unbekannter ist er nicht. Selbst wer noch nie etwas von ihm gelesen hat, mag ein paar seiner Sätze im Ohr haben. »Mir tun die Haare weh!« ist so ein beiläufig dahingesprochener Satz, der aus Nebel- und Abgaswolken heraus die Verlorenheit im italienischen Wirtschaftswunder in rätselhafte Worte fasst. Ganz eindeutig ist der Schrei: »Ich will eine Frauuu!«, den ein Kerl vom Baum herab in den Abend brüllt.

Das sind jedenfalls Sätze von Tonino Guerra. Sie sind begleitet von Bildern, die ganze Filme wieder ins Gedächtnis rufen. Da steht der kühle Filmästhet Michelangelo Antonioni neben dem lebensprallen Federico Fellini, die »Rote Wüste« neben »Amarcord«. Mit beiden Regisseuren hat Guerra als Drehbuchautor intensiv zusammengearbeitet. Vieles, was das Mehr an Poesie dieser Filme ausmacht, geht auf seine Rechnung. »Il poeta del cinema«, der Dichter des Kinos, ist die Kurzformel, mit der sein Beitrag zum Internationalen Autorenkino der Nachkriegszeit – und das sind mehr als 100 Filme! – umschrieben wird. 2002 verleiht ihm die European Film Academy den Europäischen Film- Oscar für sein Lebenswerk. 2004 wird er in Straßburg zum besten Drehbuchschreiber Europas gekürt.

Im Grunde aber ist Tonino Guerra Dichter, Geschichtenerfinder und -erzähler. Und er ist Maler, ist Zeichner, ist Gestalter von »poetischen Orten«.

Fünfzehn Jahre ist es her, seit bei Klöpfer & Meyer der Band »Staubwirbel. Geschichten für eine ruhige Nacht« erschienen ist. Kurz darauf kam auch seine Erzählung »Lauer Regen« bei Klöpfer & Meyer heraus sowie das Poem »Der Honig«, das als sein dichterisches Hauptwerk gilt. Alle diese schönen Titel sind seit langem vergriffen. Auf vielfachen Wunsch erscheint nun unter dem Titel »Scheuer Vogel Traum« ein Tonino-Guerra-Lesebuch, ein »best of«. Angefangen von den ersten Gedichten bis zu den späten Reisetagebüchern führt der Band in die Welt eines Menschen, der dem Leisen lauscht und die Schattenschrift des Lichts entziffert.

Mit welchen Augen erzählt einer, der das Erzählen »nie direkt« zu seinem Merkmal gemacht hat? Zwischen Bodenhaftung und Phantasie, zwischen Dorfchronik und Abenteuerreisen auf den Gleisen des Traumes nimmt Tonino Guerra uns mit in die Möglichkeitswelten seiner Poesie.

Herausgeberin Elsbeth Gut Bozzetti übersetzte bislang alle bei Klöpfer & Meyer erschienenen Tonino-Guerra-Titel.

Klöpfer & Meyer Verlag 2012, 216 Seiten, EUR [D] 19,50, [A] 20,10 / sFR 27,90
ISBN 978-3-86351-026-8
 
Eintrag vom: 19.01.2012  




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