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Kurzessay von Wolf Gregis
Wolf Gregis mit Cover (c) Verlag Isegrimm
 
Kurzessay von Wolf Gregis
Das Scheitern in Afghanistan – Wenn der Unfallverursacher sich selbst aufarbeitet

Die NATO arbeitet „als erste internationale Organisation ihre Rolle in Afghanistan in einem internen Prozess“ auf, so das Auswärtige Amt. Am 1. Dezember trafen sich dazu die NATO-Außenminister in Riga.

Das Scheitern des zwanzigjährigen Afghanistan-Einsatzes intern aufzuarbeiten, um sich künftig „erreichbare Ziele“ zu setzen, ist als überließe man im Straßenverkehr einem Unfallfahrer die Aufnahme, Auswertung und Beurteilung des selbstverschuldeten Unfalls. Der Verursacher würde dann selbst entscheiden, ob er sich künftig im Straßenverkehr anders verhalten wolle oder eben nicht. Externe Experten bräuchte er nicht, er war ja dabei und wüsste, worum es ging. Von den Opfern ganz zu schweigen, die bräuchte es erst recht nicht.

59 deutsche Soldaten starben in Afghanistan, Aberhunderte wurden verletzt, Tausende traumatisiert. Den höchsten Preis zahlten aber die Afghanen selbst. Hunderttausende Tote, Millionen auf der Flucht. Ein Land, das aufgebaut werden sollte, liegt noch immer in Trümmern, politisch, wirtschaftlich und menschlich. Es herrschen wieder die Alten: islamistische Taliban.

Nein, die Aufarbeitung des Afghanistan-Einsatzes darf nicht den NATO-Außen- und Verteidigungsministerien allein überlassen werden. Es braucht eine gesamtgesellschaftliche Aufarbeitung. Auch in der Literatur.

Romane dienen bei „gesellschaftlichen Selbstverständigungen oft von ganz alleine als Komplexitäts-Ausleuchter“ (Florian Kessler, Die ZEIT), gerade dann wenn sie über Innenansichten zu der Öffentlichkeit verschlossenen Themen verfügen. Der Roman „Sandseele“ ist der einzige deutsche Afghanistan-Roman, dessen Autor den Hindukusch als Offizier mit eigenen Augen sah. Jenseits pauschaler Oberflächenurteile sucht er nach den verborgenen Antworten auf die Frage: Warum ist der Einsatz gescheitert? Und wie fühlt sich das für den einzelnen Soldaten an? Damals und heute.

Damit die Aufarbeitung des Scheiterns nicht nur dem Unfallverursacher überlassen bleibt.

Wolf Gregis, 1981 in Wismar geboren, lebt heute in Rostock.
Er studierte Germanistik, Geschichte, Bildungswissenschaften und Sprachliche Kommunikation und Kommunikationsstörungen in Rostock. Im Rahmen seiner Dissertation forscht und arbeitet er als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Rostock. Darüber hinaus unterrichtet er Deutsch und Geschichte.

Hinter dem Pseudonym Wolf Gregis verbirgt sich der Afghanistan-Experte Christian Taszarek, der 2008-2009 in Mazar-e-Sharif und Kabul als Offizier die afghanische Nationalarmee begleitete. Seine Erfahrungen als Bundeswehroffizier in Afghanistan thematisierte er bereits in „Afghanistan surreal. Wahrnehmungen eines deutschen Soldaten“ (2013). Für die Arbeit an seinem Romandebüt „Sandseele“ erhielt er 2020 das Literaturstipendium der Hanse- und Universitätsstadt Rostock.
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Eintrag vom: 09.12.2021  




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