Überraschung in Tiengen: 6000 Jahre alte Muschelkette und keltische Keramikflasche entdeckt
Neue Funde erweitern ab Mittwoch, 28. Juli die Ausstellung „freiburg.archäologie – Leben vor der Stadt“ im Archäologischen Museum Colombischlössle. Darunter ist ein Muschelperlencollier aus der Jungsteinzeit, das das Museumsteam vor Rätsel stellt. Denn es ist völlig unklar, wie das wertvolle Stück in eine Abfallgrube auf dem heutigen Gelände des Neubaugebiets Tiengen kam.
Bis in den Winter hinein haben im letzten Jahr die Ausgrabungen „Hinter den Gärten“ in Tiengen angedauert. Besondere Funde haben die Archäologinnen und Archäologen direkt an die konservatorische Abteilung des Landesamts für Denkmalpflege in Esslingen übergeben, die die Objekte begutachtet und restauriert hat. Nun kommen sie zurück nach Freiburg und ergänzen die Ausstellung im Colombischlössle.
Besonders gefreut hat sich das Team des Museums über das jungsteinzeitliche Muschelperlencollier und eine keltische Keramikflasche. „Das sind echte Highlights – für uns ein Glücksfall“, freut sich Ausstellungskurator Hans Oelze.
Die filigranen Perlen der Kette haben Menschen vor über 6000 Jahren aus Muscheln hergestellt. Dazu haben sie die Schalen zu runden Scheiben verarbeitet, sie mit feinen Feuersteinbohrern durchlocht und anschließend poliert. Ein unfassbarer Aufwand bei knapp 100 nur etwa 4 mm großen Perlen.
Die Keramikflasche ist aus der Zeit zwischen 250 und 50 vor Christus, der sogenannten LaTène-Zeit. Sie wurde auf der Töpferscheibe gedreht und ist so dünn, dass eine Meisterhand am Werk gewesen sein muss. Innen sind die Drehspuren noch gut zu erkennen, außen wurde die Flasche mit viel Liebe geglättet und poliert. Durch den hohen Glimmeranteil im Ton funkelt die Flasche im Streiflicht.
Normalerweise sind Stücke von solch hoher Qualität nur als Grabbeigaben bekannt. Beide Objekte sind aber in Abfallgruben der jungsteinzeitlichen und späteren keltischen Siedlung entdeckt worden – eine absolute Rarität und sehr außergewöhnlich. Die Flasche könnte einen Schaden gehabt haben, die Perlenkette hätte man aber sicher nicht weggeworfen. Selbst wenn Teile der Kette beschädigt gewesen wären, hätten die restlichen Perlen noch immer einen enormen Wert gehabt. Doch die Archäologinnen und Archäologen haben die Perlen im Verbund, also „aufgefädelt“ geborgen.
Möglicherweise hat sie jemand verloren – aber hätte man ein so kostbares Stück nicht gesucht? Oder wurde sie tatsächlich absichtlich entsorgt? Und wenn ja - weshalb? Für Hans Oelze sind die Fundumstände des Muschelcolliers „absolut ungewöhnlich und sogar etwas rätselhaft“.
Neuerscheinung: Band zu Grabungsprojekten in Baden-Württemberg
Den Ausgrabungen in Tiengen widmet sich auch ein Aufsatz im neu erschienenen Band „Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg 2020“, den das Landesamt für Denkmalpflege herausgibt. Verfasst haben ihn Marcel El-Kassem vom Landesamt für Denkmalpflege gemeinsam mit Andreas Hanöffner und Lucie Siftar vom Archäologischen Baustellen Service in Süddeutschland. Das reich bebilderte Buch präsentiert Grabungsprojekte aus allen Epochen des Bundeslandes: von der Altsteinzeit über das Mittelalter bis hinein in die Neuzeit.
Öffnungszeiten und Tickets
Die Ausstellung „freiburg.archäologie – Leben vor der Stadt“ läuft noch bis zum 9. Januar 2022. Das Archäologische Museum Colombischlössle, Rotteckring 5, ist dienstags bis sonntags von 10 bis 17 Uhr und mittwochs bis 19 Uhr geöffnet. Der Eintritt kostet 5 Euro, ermäßigt 3 Euro. Für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, Mitglieder des Freundeskreises und mit Museums-Pass-Musées ist der Eintritt frei.
Aktuell ist der Zugang ohne Test-, Impf- oder Genesenennachweis und ohne Voranmeldung möglich. Die Hygieneregeln gelten weiterhin. |