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Buchtipp: Rachilde
 
Buchtipp: Rachilde "Monsieur Vénus"
Roman
Deutsche Erstausgabe
Übers. von Alexandra Beilharz / Anne Schneider
Nachwort von Martine Reid

Es ist ein verwirrend-subversives Spiel mit Geschlechterrollen und ein literarisches Manifest zur Absetzung des Mannes von seinem Thron:

Mit ihrem Roman „Monsieur Vénus“ verstieß die französische Literatin mit dem (eher männlich gelesenen) Pseudonym Rachilde im Paris des Fin de siècle so vehement gegen die gesellschaftlichen und sexuellen Konventionen ihrer Zeit, dass das Werk ihr eine Geld- und Haftstrafe einbrachte und nur in einer entschärften Fassung erscheinen konnte.

„Monsieur Vénus“ – schon die Kombination beider Worte genügt, um seit Generationen verankerte Vorstellungen ins Wanken zu bringen. Und der Titel des Romans ist erzählerisches Programm: Geschlechtergrenzen werden aufgehoben, patriarchalisch-gesellschaftliche Barrieren überwunden und Kräfteverhältnisse umgekehrt zugunsten der Befreiung jeglicher sexueller Schranken und Konventionen.

Rachilde erzählt die Geschichte von Raoule de Vénérande, einer wohlhabenden, jungen Pariser Adligen, die sich in Jacques Silvert, einen Mann aus einfachen Verhältnissen, verliebt, der seinen Lebensunterhalt mit Kunstblumen verdient. Sie macht Jacques – nach allerlei Liebschaften beider zu anderen Personen diverser Geschlechter – zu ihrer Geliebten und schließlich zu ihrer Frau.

Mit dem Kampf um die Akzeptanz aller Geschlechter und Lebensweisen war die junge Autorin im Paris der 1880er Jahre ihrer Zeit weit voraus, mit dem Tabubruch des Schreibens über Homo- und Transsexualität kann sie heute als Vordenkerin der queeren Literatur gelesen werden. Doch wer war diese Frau?

„Rachilde. Homme de Lettres“ stand auf der Visitenkarte der französischen Schriftstellerin Marguerite Eymery, die 1860 geboren wurde und schon mit 12 Jahren zu schreiben begann. Mit 15 nahm sie den Namen Rachilde an, kleidete sich als Mann und verfasste Romane, in denen sie sich explizit mit sexueller Orientierung, erotischer Anziehung, Androgynie und Geschlechterkonventionen auseinandersetzte.

Der Skandalroman aus dem Frankreich der Décadence ist eine literarische Wiederentdeckung, die aktueller nicht sein könnte. Und zugleich einer der merkwürdigsten Fälle verruchter Selbstliebe in der Literatur. Nun liegt er erstmals in deutscher Übersetzung vor.

Philipp Reclam Verlag 2020, 220 Seiten, € 18,00 (D)
ISBN: 978-3-15-011287-8
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Eintrag vom: 09.10.2020  




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