|
| | | Ausstellungstipp: Direkter, roher, emotionaler | Das Museum für Neue Kunst zeigt ab 28. September den Expressionisten Scherer
Akte in freier Natur, zerklüftete Bergwelten, Porträts von Freundinnen und Freunden oder literarische Gestalten wie Dostojewskis berühmter Raskolnikow: In seinem kurzen Leben hat Hermann Scherer Eindrucksvolles geschaffen. Mit der Ausstellung „Expressionist Scherer – direkter, roher, emotionaler“ zeigt das Museum für Neue Kunst ab Samstag, 28. September, über hundert seiner Gemälde, Grafiken und Skulpturen aus den Jahren 1923 bis1926. Die Schau läuft bis Sonntag, 15. März 2020.
Hermann Scherer, 1893 geboren in Rümmingen bei Lörrach, zählt zu den bedeutendsten Expressionisten der Schweiz. Als er 1927 in Basel stirbt, hinterlässt er ein umfangreiches Werk. Seine Arbeiten sind heute in namenhaften Sammlungen vertreten. Die Kunstgeschichte aber hat ihn als Schüler Ernst Ludwig Kirchners „gestempelt“ und sein Werk immer im Vergleich gesehen – als direkter, roher, emotionaler. Wie kam es dazu? Die Künstler arbeiteten zeitweise gemeinsam in der Abgeschiedenheit der Davoser Berge. Ihre Werke weisen viele stilistische, motivische und technische Parallelen auf. Doch das Verhältnis der beiden ist komplexer, die Abhängigkeit will hinterfragt werden. Das Museum für Neue Kunst lädt ein, Hermann Scherer neu zu entdecken.
Nach einer Steinmetzlehre in Lörrach zieht Scherer nach Basel, beginnt in Gips zu modellieren und wird dort Assistent des renommierten Künstlers Carl Burkhardt. Die Beschäftigung mit Bildern von Edvard Munch, der 1922 eine große Ausstellung in der Schweiz hat, verstärkt seinen Impuls selbst zu malen. Ein Jahr später begegnet er Ernst Ludwig Kirchner, der ihn zu sich nach Davos einlädt. Inspiriert durch den Künstlerkollegen entwickelt Scherer eine expressive Formensprache. Der Weg dorthin führt über das schnelle Skizzieren und Zeichnen. Seine Gemälde entfalten sich in starken, leuchtenden Farben. Von Kirchner übernimmt er die Technik des Holzschneidens und schafft innerhalb weniger Monate eine Vielzahl an ausdrucksstarken, teils lebensgroßen Figuren.
In Scherers Werken geht es um Sehnsüchte und innere Konflikte, um Liebe und Leidenschaft, Angst und Einsamkeit. Er entdeckt die ihn umgebende Landschaft als Motiv und nutzt die schroffe Schweizer Bergwelt um gesteigerte Gefühle auszudrücken. Besonders fasziniert ihn auch die Welt des russischen Schriftstellers Dostojewski – Verbrechen, Krankheit und Elend sind Themen, die er aufgreift. Zur Romanfigur Raskolnikow schafft er einen umfangreichen Holzschnittzyklus.
Der Austausch mit Kollegen ist ihm außerordentlich wichtig. Nach dem Vorbild der Künstlergruppe „Die Brücke“ schließt er sich mit anderen jungen Malern zusammen, um die Stimme gegen das etablierte Kunstschaffen in der Schweiz zu erheben. Gemeinsam gründen Hermann Scherer, Albert Müller und Paul Camenisch in der Silvesternacht 1924/25 in Basel die Künstlervereinigung „Rot-Blau“.
Das Museum für Neue Kunst nimmt den eigenen Bestand zum Anlass, die Themen, die Scherer zwischen 1923 und 1926 aufgreift, zu vertiefen und weiter zu verfolgen. Neben achtzehn Gemälden sind drei Holzskulpturen, eine Gipsbüste und über 70 Papierarbeiten zu sehen. Mitte Januar 2020 machen die anfangs ausgestellten Grafiken Platz für neue Blätter – und damit für weitere Einblicke.
Ein Highlight der Ausstellung sind acht Leinwände, die Scherer doppeltseitig bemalt hat. Die Präsentation macht beide Seiten sichtbar. Die Besucherinnen und Besucher entdecken auch die teils unvollendeten oder verworfenen Rückseiten. Ein großer Teil der Werke stammt aus dem Nachlass Hermann Scherers. Als Leihgeber konnten außerdem das Kunsthaus Aargau, das Dreiländermuseum in Lörrach, die Galerie Iris Wazzau in Davos und zahlreiche private Leihgeberinnen gewonnen werden.
Die Multimedia-Installation „Scherer-Momente“ der Fotografin Eva Rugel lädt zur Spurensuche über den Künstler ein. Die Installation verbindet Scherers Bildmotive und historische Fotografien mit Eindrücken im Hier und Jetzt. Kuratorinnen der Ausstellung sind Isabel Herda und Monika Charkowska. Mit einem umfangreichen Programm an Führungen, Veranstaltungen und Workshops entdecken Kinder, Jugendliche und Erwachsene die Welt Hermann Scherers aus unterschiedlichen Perspektiven.
Ein begleitender Katalog erscheint im Januar 2020 im Sandstein Verlag.
Das Museum für Neue Kunst, Marienstraße 10a, ist dienstags bis sonntags von 10 bis 17 Uhr geöffnet. Das Ticket für die Sonder- und Dauerausstellung gilt als Tageskarte für alle Häuser der Städtischen Museen Freiburg und kostet 7 Euro, ermäßigt 5 Euro. Für Besucherinnen und Besucher unter 18 Jahren, für Mitglieder des Fördervereins Museum für Neue Kunst und mit Museums-Pass-Musées ist der Eintritt frei. | | | Eintrag vom: 28.09.2019 | |
|
zurück
|
|
|