Caricatura Museum Frankfurt – Museum für Komische Kunst
Ausstellung bis 22. September 2019
Am 21. Mai 2019 wurde Hans Traxler 90 Jahre alt. Hierzu gratuliert das Caricatura Museum Frankfurt dem Künstler recht herzlich mit einer umfangreichen Sonderausstellung.
Hans Traxler ist wohl einer der breitenwirksamsten Satiriker, die Deutschland je hervorgebracht hat. Der Zeichner, Maler und Autor hat die Satiremagazine Pardon und Titanic sowie die „Neue Frankfurter Schule“ mitbegründet, er hat F.W. Bernsteins berühmtesten Zweizeiler („Die schärfsten Kritiker der Elche / waren früher selber welche!“) ins Bild gesetzt, und er ist zusammen mit Pit Knorr dafür verantwortlich, dass Helmut Kohl in den frühen Jahren seiner Regentschaft allgemein als „Birne“ bekannt war.
Geboren wurde Hans Traxler am 21. Mai 1929 im böhmischen Herrlich. Dort verbrachte er eine idyllische Kindheit auf dem Land, bis 1938 die deutsche Wehrmacht einmarschierte und ein Jahr später der Zweite Weltkrieg begann. In seinen geschriebenen und gezeichneten Kindheitserinnerungen, die soeben unter dem Titel „Mama, warum bin ich kein Huhn?“ erschienen sind, hat der nach wie vor ungemein produktive Künstler diese Zeit so komisch wie lakonisch festgehalten.
Seit 1951 lebt Traxler in Frankfurt am Main. Nach Stationen an der Städelschule und in der Redaktion der neugegründeten Pardon feierte er 1963 mit der Wissenschaftsparodie „Die Wahrheit über Hänsel und Gretel“ seinen ersten großen Bucherfolg. Bei Pardon formierte sich anschließend eine Gruppe von Zeichnern und Autoren, die später als „Neue Frankfurter Schule“ bekannt wurde. Neben Hans Traxler als Ältestem der Gruppe gehörten Chlodwig Poth, Friedrich Karl Waechter, Robert Gernhardt, F.W. Bernstein, Pit Knorr, Eckhard Henscheid und Bernd Eilert dazu. Mit Helligkeit, Schnelligkeit, respektlosem Witz und handwerklicher Könnerschaft eröffneten sie der Komik in Deutschland neue Wege zu Nonsens und Satire und gründeten 1979 ihre eigene Zeitschrift Titanic.
In den späteren achtziger Jahren verabschiedete sich Hans Traxler von der aktuellen politischen Satire und zeichnete Cartoons für die Magazine von Zeit, FAZ und Süddeutscher Zeitung. Robert Gernhardt nannte ihn einen „Cartoonisten der Weltklasse“. 1992 gelang Traxler mit seinem Buch „Aus dem Leben der Gummibärchen“ tatsächlich der Sprung auf den amerikanischen Cartoonmarkt. Daneben zeichnete, schrieb und illustrierte er unzählige weitere Bücher, darunter viele für Kinder.
Zuletzt profilierte sich Hans Traxler als Illustrator klassischer Texte, beispielsweise von Goethe, Schiller, Eichendorff oder Mark Twain. Oliver Maria Schmitt, Biograph der „Neuen Frankfurter Schule“, nannte Traxler den bildmächtigsten Zeichner der Gruppe: „Ein Maler, der zeichnet, der sorgsam die Bildflächen komponiert, Vorder- und Hintergründe aufeinanderschichtet, feine Farbakkorde intoniert, diese mit federleichten, wie schwerelosen Linien verknüpft und dabei auch noch dem Zwerchfell auf schönste Weise schmeichelt.“
Hans Traxler wurde vielfach ausgezeichnet. 2006 erhielt er z.B. den Satirepreis „Göttinger Elch“ und 2007 den Deutschen Karikaturenpreis, beide für sein Lebenswerk; außerdem 2014 die Goetheplakette der Stadt Frankfurt am Main, 2015 den Wilhelm-Busch-Preis, 2017 den Sondermann-Preis für Komische Kunst und zuletzt, im November 2018, den FriedrichStoltze-Preis.
Das Caricatura – Museum für Komische Kunst Frankfurt unterhält zu Hans Traxler eine besondere Beziehung. In seiner Sammlung bewahrt es viele Werke Traxlers auf und präsentiert den Besuchern in der Dauerausstellung der Zeichner der „Neuen Frankfurter Schule“ daraus regelmäßig neu ausgewählte Exponate. Hans Traxler hat auch die Elchskulptur geschaffen, die als Wahrzeichen dieses singulären Künstlerverbunds neben der Eingangstür des Museums steht.
Die Ausstellung
Zum 90. Geburtstag gratuliert das Caricatura Museum Hans Traxler, einem seiner Hausgötter, mit einer großen Werkschau. Im Lauf von mehr als sieben Dekaden schöpferischer Tätigkeit hat Traxler ein überwältigendes Spektrum künstlerischer Felder durchmessen und dabei ein einzigartiges Farb-, Form- und Erzählrepertoire entwickelt. Die Ausstellung „Hans Traxler: Zum Neunzigsten“ zeigt das zeichnerische, malerische und schriftstellerische Werk in seiner ganzen Vielfalt und deckt dabei alle Schaffensphasen des Künstlers ab. Präsentiert werden Hans Traxlers Bildergeschichten, Cartoons und Illustrationen, darunter Highlights, Klassiker und neueste Werke.
Besonderes Schmankerl sind fünf brandneue Werke von Hans Traxler von Ende 2018 und Anfang 2019, die noch nie gezeigt worden sind: vier Bildergedichte und ein Cartoon. Daneben sind Traxlers schönste Bildergeschichten aus dem leider vergriffenen Band „Ich, Gott & die Welt“, aber auch aus dem Zeit-Magazin und eine Auswahl an Lieblingscartoons zu sehen. Auch Traxlers Illustrationen finden Platz in der Ausstellung: U.a. werden seine Zeichnungen zu Mark Twains „Bummel durch Deutschland“ wie auch zu Morgensterns Gedichten sowie Motive aus „Unser Lichtenberg“ präsentiert.
Die Schau versammelt aber auch historische Titanic-Cover und Originalzeichnungen zu Eckhards Henscheids Titanic -Kolumne „Erledigte Fälle“: Von Dezember 1984 bis Oktober 1986 erschien mit den »Erledigten Fällen« eine Serie von Polemiken Henscheids, illustriert mit Porträtstudien Traxlers. Die kraft- und kunstvollen Schmähtexte Henscheids, die Prominente aus Politik, Kultur und Geistesleben aufs Korn nahmen, sorgten in Verbindung mit Traxlers kongenial karikaturesken Zeichnungen seinerzeit für viel Aufregung und langanhaltende Debatten.
Auf der Galerie wird das eigentliche Highlight der Ausstellung präsentiert: Hans Traxlers Kindheitserinnerungen, die im März 2019 in Buchform erschienen sind und die Kindheit des Künstlers im Dritten Reich in 33 Kapiteln und 33 farbigen Illustrationen erzählen. Die Originalzeichnungen werden komplett gezeigt, ergänzt mit (Familien-)Fotografien aus der Zeit. Mittels Audioguide werden den Besuchern die von Hans Traxler selbst eingelesenen Kapitel zu den Zeichnungen zugänglich gemacht.
Als mediale Extras zeigt das Caricatura Museum ein Interview, welches mit Hans Traxler anlässlich der Ausstellung geführt wurde, und eine Reihe von animierten und von Hans Traxler vorgelesenen Cartoons.
Im 1. Obergeschoss in den Räumen der Dauerausstellung „Die Zeichner der Neuen Frankfurter Schule“ werden im Traxler-Kabinett Originale aus seinem ersten Buch mit Zeichnungen gezeigt: 1978 veröffentlichte Hans Traxler im Verlag Zweitausendeins „Die Reise nach Jerusalem“. Bei Pardon hatte der kurz zuvor verstorbene Papst zu den bevorzugten Sujets Traxlers gehört, dem er in den vorangegangenen zehn Jahren knapp 60 Strips und Karikaturen gewidmet hatte. Der 1897 geborene Giovanni Battista Montini war als Papst Paul VI. von 1963 bis zu seinem Tod 1978 Oberhaupt der katholischen Kirche. Wegen seiner hölzernen Art, seines festen Glaubens an einen leibhaftigen Teufel und seiner rigiden Ablehnung von Verhütungsmitteln war er einigermaßen umstritten und wurde im deutschsprachigen Raum mit dem Spottnamen „Pillen-Paul“ bedacht. Hans Traxler bezeichnete Paul VI. im Nachwort des Bandes jedenfalls als seinen „Lieblingspapst“ und „großen Comic-Charakter“: „Solche Menschen müssen einmalig und unverwechselbar sein und über jenen Funken von transzendentalem Wahnsinn verfügen, der sie abheben und eine Spanne hoch über unserem rational definierten System schweben lässt. Außerdem ist es gut, wenn sie eine große Nase haben.“
Neben den Zeichnungen kann der Besucher im Erdgeschoss in einer Leseecke in den Büchern von Hans Traxler schmökern.
Die Ausstellung „Hans Traxler: Zum Neunzigsten“ läuft vom 27.5. bis 22.9.2019 im Caricatura Museum Frankfurt. Eröffnet wird die Werkschau mit einer Matinee am Sonntag, dem 26. Mai, um 11 Uhr im Beisein des Künstlers und seiner Gattin. Die Laudatio hält der komische Dichter und Titanic-Ex-Chefredakteur Thomas Gsella. Die Musik kommt von den Wellbappn.
Wir bedanken uns beim Kulturfonds Frankfurt RheinMain für die Förderung der Ausstellung. |