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Buchtipp: René Nyberg "Der letzte Zug nach Moskau"
Zwei Freundinnen, zwei Schicksale, eine jüdische Familiengeschichte

Deutsch von Angela Plöger

»Mutter Jüdin, aber hat die Deutsche Schule besucht.« Diese Notiz über sich fand René Nyberg eines Tages in den Unterlagen des finnischen Außenministeriums, für das er als Diplomat tätig war. Dass seine Mutter Fanny Jüdin war, hatte er selbst erst als Jugendlicher erfahren. Viel mehr wusste er lange Zeit nicht, denn es wurde in der Familie kaum darüber gesprochen. Erst Jahrzehnte später, als er Lena, die Tochter von Fannys heißgeliebter Cousine Mascha kennenlernte, die inzwischen in Israel lebte, beschloss er, der Geschichte seiner Familie nachzugehen. Er forschte in Archiven, befragte Zeitzeugen, sammelte verstreute Familiendokumente und studierte die einschlägige historische Literatur. So konnte er schließlich diese außergewöhnliche und abenteuerliche Familiengeschichte erzählen. Fanny war von ihrer jüdischen Familie verstoßen und sogar für tot erklärt worden, als sie 1937 den nichtjüdischen Finnen Bruno Nyberg heiratete. Von da an gab es über viele Jahre keinen Kontakt, obwohl alle Familienmitglieder in Helsinki lebten. Alle überlebten den Krieg, denn die Juden in Finnland blieben vor der Verfolgung verschont. Anders als in Lettland. Dort in Riga lebte Mascha mit ihrem Mann Josef und ihrer Familie. Fanny und Mascha hatten vor dem Krieg viel vergnügte Zeit miteinander verbracht. Mascha war Musikpädagogin, Josef Geiger. Die beiden bestiegen mit zwei Koffern den letzten Zug, der noch in Richtung Moskau fuhr, zwei Tage vor dem Einmarsch der Deutschen 1941. Eltern und Geschwister schlossen sich der Flucht nicht an. Sie wurden alle ermordet. Mascha und Josef jedoch überlebten den Holocaust in der Sowjetunion und kehrten gegen Kriegsende wieder nach Riga zurück. Lena wurde dort als erstes jüdisches Kind nach dem Krieg geboren. Die Familie wanderte schließlich nach Israel aus, aber Josef fühlte sich dort nicht heimisch. Den letzten Teil ihres Lebens verbrachte das Ehepaar in Berlin, als deutsche Staatsbürger. Denn Josefs Eltern waren Deutsche gewesen und er hatte nach dem Bundesentschädigungsgesetz Anspruch auf eine Rente und die deutsche Staatsangehörigkeit.

Der Auktor René Nyberg, geb. 1946, ist ein ehemaliger finnischer Diplomat. Er ist mit der Professorin Kaisa Nyberg verheiratet und hat drei erwachsene Töchter und vier Enkelkinder.
Seine Laufbahn im finnischen Außenministerium begann im Jahr 1971. Während seiner fast 40-jährigen Dienstzeit hatte er verschiedene wichtige Positionen sowohl im Ministerium in Helsinki als auch auf Auslandsposten inne. Er war u.a. Botschafter von Finnland in Moskau, bevor er nach Berlin wechselte, wo er von 2004 bis 2008 ebenfalls als Botschafter tätig war. Nach seiner diplomatischen Karriere wechselte er in die finnische Wirtschaft und wurde zum Geschäftsführer des East Office of Finnish Industries berufen. Dieses Amt hatte er bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2013 inne.
Aufgrund seines umfassenden Fachwissens im politischen und wirtschaftlichen Bereich wird er heutzutage häufig als Experte und als Russland-Kenner zu verschiedenen Fachforen in Finnland und auch im Ausland eingeladen. Darüber hinaus ist er ein gern gesehener Gast in politischen Sendungen finnischer Medien.
René Nyberg stammt aus einer finnlandschwedischen Familie. Sein erstes Buch „Der letzte Zug nach Moskau“ erschien 2015 und wurde sowohl von Literaturkritikern als auch von den Leserinnen und Lesern sehr geschätzt. Im selben Jahr wurde das Werk als Finnlands „Buch des Jahres“ nominiert. Das Buch ist bisher in 5 Sprachen übersetzt worden.

dtv 2019, 240 Seiten, € 22 (D), 22,70 (A)
ISBN 978-3-423-28173-7
 
Eintrag vom: 18.03.2019  




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