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Ausstellungstipp: DIE NACHT
Alles außer Schlaf

Ausstellung im Museum für Kommunikation Frankfurt
bis 26. August 2018


Die meisten Menschen nutzen die Nacht zum Schlafen. Doch was passiert, wenn wir die Nacht durchwachen? Unsere Welt erscheint in einem anderen Licht: Ob im Schimmer des Mondes und der Sterne, im gleißend hellen Weiß von Leuchtstoffröhren oder im Halbdunkel eines Clubs – in der Nacht eröffnen sich Räume, in denen an Schlaf nicht zu denken ist.

Aus verschiedenen Blickrichtungen wirft die interdisziplinäre Ausstellung „DIE NACHT. Alles außer Schlaf“ vom 23. März 2018 bis 26. August 2018 erstmals Schlaglichter auf unser Verhalten und unsere Kommunikation in der Nacht. Die Besucherinnen und Besucher erleben die unterschiedlichsten Facetten der „anderen Hälfte des Tages“: von den ersten Sternkarten und der Sinnsuche im nächtlichen Himmel über die Strategien, unsere Gefühle der Nacht zu beherrschen, bis hin zur Nacht als zusätzliche Arbeits- und Lebenszeit. Rund 350 Objekte aus Mythologie, Astronomie, Kunst, Popkultur und Technikgeschichte zeigen, wie wir in und mit der Nacht kommunizieren. Eine interaktive Kinderstrecke beGEISTert auch die Kleinsten.

Auf ihrer Reise durch die Nacht durchlaufen die Gäste folgende vier Stationen: „Sternenklar. So finster die Nacht?“, „Stille Nacht. Was in der Dunkelheit entsteht“, „Pausenlos. Die Nacht als Arbeitszeit“ und „Zwielicht. Salon, Bordstein, Club“. Dabei begegnen sie im Bestiarium den Schrecken der Nacht, schieben das nächtliche Gedankenkarussell an und arbeiten eine Nacht durch. Sie tauchen ein in die Geschichte des Nachtlebens, tauschen Flirtkarten und hinterlassen ihr persönliches Graffiti. Am Ende finden sie sich in der schlaflosen Welt der Moderne und Gegenwart wieder – im Zwielicht von Vergnügen und Arbeit, Grenzenlosigkeit und Kontrollverlust, Freiheit und Zwang.

Sternenklar. So finster die Nacht?
Die Ausstellung beginnt in der Finsternis, die sich wie in prähistorischen Zeiten über die Welt legt. Doch das Dunkel ist keinesfalls leer und unbevölkert: Ein Catwalk der nachtaktiven Tiere lässt erahnen, dass die Nacht viele Gesichter hat. Seit jeher versucht die Menschheit, den Nachthimmel durch Mythen, Gottheiten und Sinnzuschreibungen wie Sternbilder zu erklären. Die Personifizierung der Himmelserscheinungen zeigt sich unter anderem eindrucksvoll am Fragment eines babylonischen Kultsteines aus dem 13./12. Jh. v. Chr. Die Babylonier sind auch die ersten, die systematische Himmelsbeobachtungen durchführen und diese notieren, wie ein Tontafelfragment aus dem Jahr 48/47 v. Chr. vor Augen führt. Auf diese Weise erstellen sie Kalender, deren Daten auf den Phasen des Mondes beruhen – die Geburtsstunde der Astronomie.

Spätestens mit Nicolaus Copernicus' Zweifel am erdzentrischen Universum, der Berechnung der Planetenbewegungen durch Johannes Kepler und dem Einsatz des Fernrohrs zur Himmelsbeobachtung durch Galileo Galilei wird der Blick in die Nacht klarer – so klar, dass wir heute das Licht von 1.350 Lichtjahren entfernten Nebeln fotografieren können.

Abgesehen von den Erklärungsversuchen des nächtlichen Dunkels spielt die Vorstellung von furchterregenden Kreaturen wie Vampir, Werwolf, Hexe oder Nachtmahr lange Zeit eine zentrale Rolle. Diesen begegnen die Gäste im Bestiarium: Neben Objekten aus Brauchtum, Folklore und Popkultur – darunter ein Vampirjägerkoffer anno 1880 – konfrontiert eine Illumination des Mailänder Künstlerduos Carnovsky die Gäste mit einer „Ästhetik des Grauens“, die sie das Fürchten, aber auch Staunen lehrt.

Stille Nacht. Was in der Dunkelheit entsteht
Die Nacht unterscheidet sich nicht nur durch Dunkelheit vom Tag. Sie ist ebenso eine Grenzerfahrung, kann bedrückend und beängstigend, aber auch beschaulich und romantisch sein. In musikalischen Kompositionen und Kunstwerken, in den Ritualen und Lichterfesten der unterschiedlichen Weltanschauungen oder dem Verschmelzen der Nachtgefühle in Jugendbewegungen wie der Gothic-Kultur finden diese Emotionen ihren Ausdruck und werden zugleich verarbeitet. Opern wie Mozarts Die Zauberflöte etwa vereinen die Gegensätze der Nacht in ihren Charakteren, während Gemälde der Romantik gerne den Zauber einer Mondnacht beschwören. Mit den Versuchen, das Dunkel zu erklären, geht auch immer der Wunsch einher, ihm etwas entgegenzusetzen. Dabei bedienen sich unterschiedliche Kulturen des Lichts: sei es der christliche „Stern von Bethlehem“, die Lichterbräuche des hinduistischen Diwali-Fests oder das jüdische Hawdala-Ritual, das unter anderem mit einer Kerze begangen wird.

Oft sind es auch die eigenen „inneren Dämonen“, die uns im Dunkeln Angst und Bange werden lassen. In der Ausstellung können die Gäste das nächtliche Gedankenkarussell selber anschieben: Die von dem Künstler Bill Domonkos animierte Installation lässt die Gedanken, Bilder und Welten, die uns schlaflos zwischen Realität und Traum irren lassen, als Bild- und Wortfetzen rotieren.

Pausenlos. Die Nacht als Arbeitszeit
Mit der Erfindung der künstlichen Beleuchtung im 19. Jahrhundert kann die bis dato auf das Nötigste beschränkte Nachtarbeit auf viele Bereiche ausgedehnt werden – ein Einschnitt, der sich in der Ausstellung auch gestalterisch manifestiert: Aus dem Dunkel und Geheimnisvollen treten die Besucherinnen und Besucher in neonbeleuchtete Arbeits- und Kommunikationsräume. Neben der Geschichte der Beleuchtung von der Handlaterne des Nachtwächters bis zur modernen LED geht es hier auch um die „unsichtbaren“ Leistungen der Menschen, die nachts ihre Arbeit verrichten. Am Beispiel der Postgeschichte wird die historische Entwicklung der Nachtarbeit besonders deutlich: Werden Nachrichten im 15. Jahrhundert noch mit dem Postreiter maximal 50 Kilometer weit durch die Nacht transportiert, landen heutzutage allein am DHL-Logistik-Drehkreuz Leipzig/Halle pro Werknacht rund 65 Langstreckenmaschinen.

Mit den Nachtschichten wird der gewohnte Arbeits-und Lebensrhythmus aufgelöst und neu eingetaktet. So ist für Thomas A. Edison, den Vater der modernen Glühlampe, Schlaf vergeudete Arbeitszeit. Er selbst hält zwei Stunden Ruhe pro Nacht für ausreichend. Eine Zeiterfassungskarte aus dem Jahr 1912 dokumentiert seinen Arbeitsrhythmus. Um als Fernfahrer, Schlafwagenschaffner oder Zeitungsredakteur wach zu bleiben, kann man zu diversen Hilfsmitteln greifen: Was früher Koffein- oder Kolanuss-Pastillen wie die „HallooWach-Tablets“ aus den 1950ern waren, sind heute Ritalin-Tabletten oder Energy-Drinks. Diese lassen uns die Nacht durcharbeiten – auf Dauer mit negativen Folgen für unsere Gesundheit.

Auch das private Wachbleiben unserer „pausenlosen Gesellschaft“ wird beleuchtet: Zu Beginn des 20. Jahrhunderts diskutiert man in „Benimmkolumnen“, ob eine Dame in Nachtwäsche auf dem Bett liegend mit einem Mann telefonieren dürfe. Nach dem sogenannten Vollprogramm des Hör-und Fernsehfunks hält spätestens mit dem „Kuschelmedium“ Tablet und Smartphone der 24-Stunden-Lifestyle Einzug in unsere Betten und raubt uns nicht nur mit seinen Inhalten, sondern auch mit seinem blauen Lichtschimmer den Schlaf. Stück für Stück löst sich die Grenze von Tag und Nacht, Arbeit und Freizeit, On-und Offline auf – bis hin zum pausenlosen globalen Austausch.

Zwielicht. Salon, Bordstein, Club
Auch die Verlockungen des Nachtlebens sind manchmal stärker als die Aussicht auf einen ausgeschlafenen Morgen – und das nicht erst seit heute. Von nächtlichen Theaterbesuchen Ende des 18. Jahrhunderts über das Knüpfen zarter Bande per Tischtelefon oder -rohrpost in den Ballhäusern um 1900 und den großen Rausch der 1920er Jahre geht es zur durchtanzten Nacht im Techno-Club. Dieser Teil der NachtKultur zeigt, wie Clubs zu modernen Schutz- und Kommunikationsräumen avanciert sind, in denen abseits von Bewertung und Pflichten alle ihrem Lebensentwurf gemäß feiern können. Mit Exponaten wie den Skizzen des Künstlers Felix Scheinberger, der das verborgene Nachtleben der Szene dokumentiert, gewährt die Ausstellung teils exklusive Einblicke in das an sich unsichtbare Treiben und die Kommunikation der Kultur(en).

Schließlich finden sich die Nachtschwärmerinnen und Nachtschwärmer auf der Straße wieder – mit Kiosken, die in ihrem Sortiment die Bedürfnisse der Nacht widerspiegeln, Neon -Reklamen, die uns in Form und Farbe kontinuierlich ansprechen, aber auch Obdachlosigkeit und Prostitution, die uns Schattenseiten des (Nacht-)Lebens vor Augen führen. Um auf die durch Armut und Not geprägten Lebensumstände hinzuweisen, stellt die Ausstellung dem Anblick eines obdachlosen oder sexarbeitenden Menschen den Einblick gegenüber. Dieser offenbart, wer gegen die offenkundigen Missstände arbeitet und welche unterschiedlichen Ansprachen für die Hilfsangebote gewählt werden. Zugleich kommen auch Betroffene zu Wort: In der Online-Videoreihe „Frag ein Klischee“ beantworten die „Klischees“ selber Fragen aus der Community und entkräften so manche Fehleinschätzung.

Interaktive Kinderstrecke
Kinder erleben die Nacht zumeist nur schlafend. In der der Ausstellung „DIE NACHT. Alles außer Schlaf“ können auch die Kleinsten in die dunkle Seite des Tages eintauchen: An neun interaktiven Taschenlampen-Stationen können die Kleinsten unter anderem spielerisch aufdecken, warum wir uns nachts fürchten, wer wann zum Arbeiten aufstehen muss und was man in einer Disko macht.

Begleitbuch
„Das Buch der Nächte“ (Verlag Hermann Schmidt, Hrsg. Klaus Beyrer, 216 Seiten mit zahlreichen Abbildungen) ist für 14,80 € im Museumsshop bzw. 25 € im Buchhandel erhältlich.

Expotizer als digitale Einführung in die Ausstellung
Zur Ausstellung bietet das Museum eine digitale Einführung an, die es Besucherinnen und Besucher ermöglicht, sich vor dem Ausstellungsbesuch ins Thema einzulesen und erste Objekte kennenzulernen. Der Expotizer, der als „Appetizer“ Lust auf das Thema der Ausstellung machen soll, dient außerdem als Rückblick nach dem Besuch und kann von Lehrerinnen und Lehrern zur Vor- und Nachbereitung in der Schule genutzt werden. https://nacht-ausstellung.de

Begleitprogramm
Zur Ausstellung finden ein umfangreiches Begleitprogramm statt mit Führungen, Veranstaltungen und Workshops für Erwachsene, Kinder und Schulklassen.

Öffnungszeiten
Dienstag bis Freitag 9 – 18 Uhr, Samstag, Sonn- und Feiertag 11 – 19 Uhr

Eintritt
Ab 6 Jahre 1,50 Euro, ab 18 Jahre 5 Euro
Für Gruppen ab 10 Personen ist der Eintritt freitags frei.
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Eintrag vom: 24.03.2018  




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