Caricatura Museum Frankfurt – Museum für Komische Kunst
bis 15. April 2018
Robert Gernhardt war ein Meister der Bildergeschichten und -gedichte und gilt als einer der wichtigsten zeitgenössischen Dichter deutscher Sprache. Er war Zeichner und Maler, Lyriker, Schriftsteller und Drehbuchautor und verfasste humortheoretische Schriften. Am 13. Dezember 2017 wäre er 80 Jahre alt geworden.
Am 13. Dezember 1937 wurde Robert Gernhardt in Reval, dem heutigen Tallinn, als einer von drei Söhnen eines Richters geboren. Zwei Jahre nach seiner Geburt musste die Familie nach Posen umsiedeln. Als sein Vater 1945 im Zweiten Weltkrieg fiel, floh die Mutter mit Robert und seinen Brüdern Per und Andreas über Thüringen nach Niedersachsen, wo sie sich 1946 in Göttingen niederließen.
Nach dem Abschluss seiner Schulausbildung in Göttingen und dem Studium der Malerei und Germanistik in Stuttgart und Berlin, kam Robert Gernhardt schließlich mit 27 Jahren nach Frankfurt – seiner Wahlheimat bis zu seinem zu frühen Tod 2006. Begleitet wurde er damals von seinem Studienkollegen und Freund F.W. Bernstein (Fritz Weigle). Zusammen zogen sie von Berlin nach Frankfurt, um für das neu gegründete Satiremagazin pardon zu schreiben und zu zeichnen.
Seit 1964 arbeitete Robert Gernhardt – bis 1971 unter verschiedenen Pseudonymen, allen voran Lützel Jeman – bei pardon. Zusammen mit F.K. Waechter riefen Gernhardt und F.W. Bernstein die beliebte Nonsens-Beilage „Welt im Spiegel“, kurz „WimS“, ins Leben, welche bis 1976 Zeitungsparodien mit Texten, Rätselspielen und Zeichnungen bot und schnell Kultstatus erlangte. Zu den festen Bestandteilen von WimS gehörte u.a. Gernhardts legendärer „Schnuffi“-Comicstrip mit Geschichten über die absurden Abenteuer eines Nilpferdes.
Bei pardon fanden sich diejenigen Zeichner und Autoren zusammen, die wir heute als „Neue Frankfurter Schule“ kennen und die als Wegbereiter eines neuen Komikverständnisses in Deutschland gelten. Die Künstlergruppe bestand neben den eben genannten Robert Gernhardt, F.W. Bernstein und F.K. Waechter aus den Zeichnern Chlodwig Poth, Hans Traxler und den Autoren Bernd Eilert, Eckhard Henscheid und Pit Knorr. Robert Gernhardt wird dabei von den Kollegen die Rolle des „Schuldirektors“ (Eckhard Henscheid), „Klassenprimus“ (Hans Traxler) oder auch „Supergurus“ (F.K. Waechter) zugeschrieben.
Gemeinsam mit Pit Knorr schrieb Gernhardt ab 1971 Sketche und eigene Serien für den Hessischen Rundfunk, u.a. „Dr. Seltsams Sonntags-Sortiment oder Hörrohr klar zum Gefecht – eine aktuelle Merkwürdigkeitenschau” und „HELP – ein satirisches Aushilfsmagazin”. Bald stieß Bernd Eilert dazu und das Autoren-Trio „GEK-Gruppe“ war geboren. Diese verantwortete später u.a. die TV-Comedy-Schau „Dr. Muffels Telebrause“ sowie die Produktion „Der Forellenhof – ein neuer Film zu alten Bildern“. In Kleinstarbeit wurde das Material der gleichnamigen Fernsehserie aus den 1960ern auf höchst komische Art und Weise neu zusammengeschnitten und synchronisiert. Nicht zuletzt begann in den 1970ern die Zusammenarbeit mit dem Komiker Otto Waalkes, für den die GEK-Gruppe zahlreiche Programme und Drehbücher schrieb.
1979 gehörte Robert Gernhardt zu den Mitbegründern des endgültigen Satiremagazins TITANIC, welches bis heute seinen Sitz in Frankfurt hat, und in dem Gernhardt unzählige Texte und Zeichnungen veröffentlichte. Exemplarisch sind „Gernhardts Erzählungen“ zu nennen, die sich, bestückt mit Bildergeschichten von Robert Gernhardt, meist auf einer Doppel-, manchmal auf einer Einzelseite durch die frühen TITANIC-Jahre zogen. Sie wurden später abgelöst von „Mit Gernhardt durchs Jahr“. Daneben erschien eine Fülle an weiteren Texten, so auch Humortheoretisches für die Rubrik „Humorkritik“ und Zeichnungen, die alleine oder in Gruppenarbeit entstanden.
Seit Beginn der 1980er veröffentlichte Gernhardt zahlreiche Gedichtbände, u.a. „Wörtersee“ 1981, eine Sammlung seiner Gedichte und Bildgedichte aus dem „Zeitmagazin“, in welchem Robert Gernhardt von 1978 bis 1986 veröffentlichte. Im Laufe der 1990er Jahre wurde Robert Gernhardt endlich auch vom Feuilleton zunehmend als Lyriker geschätzt.
In seinem lyrischen Schaffen verarbeitete Gernhardt auch seinen gesundheitlichen Kampf: Nach seiner schweren Herzoperation 1996 entstand der Band „Herz in Not“. Über seine Darmkrebserkrankung, von der er seit 2002 Kenntnis hatte, verfasste er zahlreiche Gedichte, welche unter dem Titel „K-Gedichte“ veröffentlicht wurden.
Zu Frankfurt am Main hegte Gernhardt eine sehr enge und besondere Verbindung. Zum 10-jährigen Jubiläum des Frankfurter GrünGürtels 2001 schenkte er der Stadt das von ihm gezeichnete GrünGürtel-Tier, laut Schöpfer eine „Mischung aus Wutz, Molch und Star“. Seit 2006 steht es in Bronze gegossen auf der Robert-Gernhardt-Brücke in Bonames. Neben seiner Wahlheimat Frankfurt schaffte er sich 1972 in der Toskana ein zweites Domizil, in dem er jährlich drei bis vier Monate verbrachte.
2001 wurde Robert Gernhardt als Gastdozent für die Frankfurter Poetikvorlesungen an der Johann Wolfgang Goethe-Universität eingeladen. In dem Jahr vor seinem Tod hielt er LyrikVorlesungen an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und residierte kurzzeitig als Autor an der University of Warwick in England.
Seine Werke wurden mit zahlreichen Ausstellungen und Auszeichnungen gewürdigt, z.B. mit dem „Kasseler Kulturpreis für grotesken Humor“, dem „Stadtschreiber von Bergen“, dem „Göttinger Elch“, dem „Bert-Brecht-Preis“, dem „Heinrich-Heine-Preis“ sowie dem „JoachimRingelnatz-Preis“.
Robert Gernhardt starb am 30. Juni 2006 nach langer Krankheit in Frankfurt
DIE AUSSTELLUNG
Der zeichnerische Nachlass von Robert Gernhardt befindet sich in der Sammlung des Caricatura Museums Frankfurt. Ein Teil davon wird ständig in der Dauerausstellung gezeigt. Anlässlich seines 80. Geburtstags präsentiert das Caricatura Museum Frankfurt in der Einzelausstellung „Robert Gernhardt“ ausgewählte Werke seines satirischen Schaffens, allen voran Bildergeschichten, Cartoons und Illustrationen sowie Originale zu seinen Buch-Covern. An verschiedenen Hörstationen werden dem Besucher zudem Gedichte und Texte zugänglich gemacht.
Im Erdgeschoss ist ein Schwerpunkt der Ausstellung zu sehen: Gernhardts Bildergeschichten und Cartoons für TITANIC aus den Jahren 1979 bis 1994. Großen Raum nehmen hierbei die Zeichnungen aus Gernhardts langjährigen Serien „Gernhardts Erzählungen“ und „Mit Gernhardt durchs Jahr“ ein. Daneben werden eine Reihe von Gernhardts bunten Pastellzeichnungen für seine Buchcover präsentiert, sowie die vollständige Reihe „Deutsche Leser“, erschienen 1986 in der Literaturbeilage der Zeit, und Auszüge aus den 99 Sudelblättern, die Robert Gernhardt zu 99 Sudelsprüchen von Georg Christoph Lichtenberg gezeichnet hat.
Auf der Galerie werden Coverzeichnungen und Illustrationen zu Robert Gernhardts Büchern „Die Falle“, „Ostergeschichte“, „Wege zum Ruhm“, „Das Ungeheuer von Well Ness“ (mit Pit Knorr und Bernd Eilert) und „In Zungen reden“ gezeigt. Diese Zeichnungen werden das erste Mal im Caricatura Museum ausgestellt.
Ein weiteres Highlight der Ausstellung befindet sich ebenfalls auf der Galerie: Über 50 Comic-Strips mit Schnuffis Abenteuern aus „Welt im Spiegel“ (pardon). Eine weitere Besonderheit, nicht nur für Frankfurter, sind Zeichnungen und Gedichte, die in Robert Gernhardts Amtsperiode 1991/1992 als „Stadtschreiber von Bergen“ entstanden.
Als mediales Extra zeigt das Caricatura Museum in der Ausstellung ein Interview mit Bernd Eilert und Pit Knorr, in dem sie u.a. von ihrer gemeinsamen Zeit mit Robert Gernhardt als Autorentrio „GEK-Gruppe“ berichten.
Im 1. Obergeschoss in den Räumen der Dauerausstellung „Die Zeichner der Neuen Frankfurter Schule“ werden im Gernhardt-Kabinett Auszüge aus seinem Buch „Die Magadaskar-Reise“ präsentiert: Gernhardt fügte hierfür lose Zeichnungen aus dem Zeitraum zwischen 1970 und 1980 zusammen und erstellte daraus einen (fiktiven) Reisebericht über seine „Magadaskar-Reise“.
Neben den Zeichnungen kann der Besucher in einer Leseecke in den Büchern von Robert Gernhardt schmökern. |