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Dienstag, 3. Dezember 2024
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Buchtipp: Wolfgang Hermann Körner "Der Schädling"
Roman

Lukas Morlok, der Schriftsteller, von der Moderne und ihren Perversionen gehetzt, schwindlig von dem Gefühl, nicht mehr zu wissen, wer er ist, hält sich schließlich für einen Schädling. Verzweifelt sucht er einen Ausweg aus dem Dilemma und kommt zu dem Schluss, dass es unausweichlich ist, sich mit seinem Schicksal abzufinden. Virtuos und verwirrend zugleich thematisiert Körner die Suche des Schriftstellers nach einem Weg aus der Einsamkeit.

Lukas und Aischa kauerten, erinnerte er sich, aneinander geschmiegt im Sand des flachen Abhangs und versuchten, gegen die Sonne anblinzelnd, dem riesigen Menschentierwesen über ihnen ins Gesicht zu blicken und ihm die schrägen Geheimnisse des Universums, wie Aischa spottete, zu entlocken. Trägt es, das die Welt immer noch zu verkennen scheint und ihm das weibliche Geschlecht zuschreibt, nun Chephrens oder Cheops´ Gesichtszüge?
Lukas war, als ob die Frage ihn selbst beträfe. Jetzt aber erschien ihm die übermächtige Felsenskulptur der großen Sphinx mit dem Pharaonengesicht plötzlich zu furchterregendem Stein erstarrt, und die dahinter aufragenden Pyramiden abweisend und unnahbar. Er entsann sich, wie er Aischa gegenüber einmal seine Genugtuung geäußert hatte, dass Ägyptens Monumente nach wie vor von einhüllenden Mysterien geschützt seien, und Aischa ihn lachend daran erinnert hatte, dass die Türen innerhalb der Artefakte blind seien und weder zu verborgenen Kammern noch zu den erhofften Erkenntnissen führten.

Was, dachte er, würde es bringen, das Dasein noch einmal zu überdenken? Das Schreiben als eine Art Slumtourismus zu betreiben, der ihn doch nur tiefer in das Elend führen würde, auf das die Welt, kurz vor dem Kollaps, zusteuerte? Nie glich sein Leben einem Akt der Befreiung. Immer nur drang er tiefer in das dunkle Innere seines Ichs vor und es ergriff ihn die Angst, beim Schreiben den Faden zu seinem Leben zu verlieren.

Verlag Brandes & Apsel 2017, 212 Seiten, EUR 21,90 (D)
ISBN 9783955581978
 
Eintrag vom: 17.11.2017  




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