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Buchtipp: Felix Maria Arnet "Gescheit scheitern"
Von der Kunst, gescheit zu scheitern

Scheitern ist in unserer Gesellschaft keine Option. Wer verliert, wird von seinem Umfeld rasch zum Versager abgestempelt. Dabei bietet uns die Analyse unserer Fehler zahlreiche Möglichkeiten und Schlüsse für unsere Zukunft. Wie man „Gescheit scheitern“ kann und sich dadurch beruflich und persönlich weiterentwickelt, zeigt der Berater Felix Maria Arnet in seinem ersten Buch.

Scheitern passiert. Es gehört zum Leben. Wenn wir lernen, forschen, kreativ sind oder Höchstleistungen anstreben, ist Scheitern nicht das Ende, sondern Treiber von Erkenntnisprozessen und Fortschritten. Die Ironie: So sehr der Misserfolg ein Tabu der Moderne ist, so sehr ist es auch ein Phänomen unserer Zeit.

Das Buch „Gescheit scheitern“ von Felix Maria Arnet ist eine Hilfestellung für alle, die ihre negative Grundhaltung gegenüber Misserfolgen und Niederlagen überwinden wollen. Durch die Lektüre des praktischen Bandes lernt man, ohne Scham und mit einem Zugewinn an Erkenntnis zu scheitern, Fehler nicht wieder zu begehen und an Misserfolgen zu wachsen.

Aus persönlicher Erfahrung weiß Arnet, wie man mit fehlgeschlagenen Projekten und Ideen umgeht. „Auch und gerade in der Krise muss man aktiv bleiben, Entscheidungen treffen, Schritte in die Wege leiten. Wer seine Situation wie aus einem Helikopter heraus betrachten kann, wird Auswege aus der Misere finden. Mir hat es sehr geholfen, mein Scheitern anzunehmen und mit der Hilfe eines CoPiloten neu durchzustarten,“ so Arnet. „Heute helfe ich anderen dabei, ‚vorwärts zu scheitern‘ und sich nicht zu verlieren.“

Im Buch finden sich weitere „Beautiful Losers“, also große Denker und Erfinder, die aus ihren Fehlern gelernt haben. Ein konkretes Notfallprogramm für den Umgang mit Krisen und praktische Methoden vom Co-Piloten über den Helikopter-Blick bis zur Karte des Scheiterns runden diesen Ratgeber ab.

GABAL Verlag 2017, 96 Seiten, EUR 8,90 (D), 9,20 (A)
ISBN: 978-3-86936-766-8

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Gespräch mit Felix Maria Arnet über das Thema seines Buches „Gescheit scheitern“


Sie sind Business Coach und unterstützen Ihre Klienten dabei, erfolgreicher zu werden. Wieso tragen Sie dennoch mit so viel Leidenschaft vor, dass Scheitern wertvoll ist?

Persönliches Wachstum ist das Ergebnis von Erfolg und Scheitern, von Lust und Frust, von Schönheit und Schmerzen gleichermaßen. Ich wäre kein guter Berater, wenn ich dies verschweigen würde. Allerdings möchte ich betonen: Ich spreche dabei nicht von den krachenden Niederlagen, sondern von dem, was verhindert, dass aus Krisen Katastrophen werden.

Wie leicht lässt sich das Thema „Scheitern“ vermitteln?

Natürlich ist das kein Zuckerschlecken. Immerhin sprechen wir hier von einem kulturellen Stigma. Der Soziologe Richard Sennett nennt das Scheitern das „große Tabu der Moderne“. Zunächst einmal bin ich selbst das beste Beispiel für den Charme des Scheiterns. Wenn ich als erfolgreicher Coach unaufgeregt und offen über mein Scheitern als Unternehmer spreche, sorgt das für Glaubwürdigkeit und entspannt die Atmosphäre. Man muss dem Thema zunächst einfach mal das Skandalöse nehmen. Dann weise ich darauf hin, dass das Scheitern wesentlich zu Lernprozessen, ja zu allen schöpferischen Prozessen, Innovationen und Entdeckungen dazugehört. Zum Beispiel frage ich: „Könnten Sie heute laufen, wenn Sie als Kleinkind nach dem ersten Sturz auf die Nase von diesem frustrierenden Unterfangen abgelassen hätten? Oder Rad fahren? Oder Skilaufen?“ Und ob es heute Penicillin, Post-it oder die Röntgenstrahlung gäbe, wer weiß. Das Prinzip von Trial-and-error ist eine wissenschaftliche Methode. Niederlagen und Fehler gehören zum Leben und zum Lernen dazu.

Es ist allerdings etwas anderes, ob man sich die Knie aufschrammt, eine Experimentreihe nicht funktioniert oder ein Unternehmen an die Wand fährt.

Natürlich. Aber all diesen Krisen kommt man mit denselben Methoden bei. Zum Beispiel tendieren beinahe alle Menschen dazu, in der extremen emotionalen Belastung durch eine Krise auch extrem emotional zu handeln, das heißt, sie reden die Situation schön, geben anderen die Schuld, treffen schnelle Entscheidungen aus dem Bauch heraus, versuchen, mit dem Kopf durch die Wand zu gehen oder mit Gewalt etwas durchzusetzen. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass die phylogenetischen Gehirnzentren, die uns zu analytischem Denken befähigen, während Krisen blockiert sind. Wir handeln dann nach uralten Instinkten.

Wie lernt man denn aus seinen Fehlern?

Man muss einen Punkt machen und die Situation radikal akzeptieren. Zudem muss man das Handlungstempo verlangsamen. Wohlgemerkt, verlangsamen, nicht das Handeln insgesamt aus der Hand geben. Denn natürlich liegt alles an einem selbst. In der Krise ist man vor allem eines - allein. Das ist eine ziemlich trübe Aussicht.

Wer kann mir in einer Krise wirklich helfen?

Wenige, und vor allem selten die, von denen man es erwarten würde, Freunde, Familie, Geschäftspartner, Banken. Sie sind alle unmittelbar oder mittelbar von Ihrer Krise betroffen und damit parteiisch. Ich selbst beschreibe das so: Scheitern fühlt sich an wie eine leere Stadt – keiner mehr da.
Deshalb sollte man sich zuerst selbst einen Überblick über die Lage und das Problem verschaffen. Ich nenne das den Helikopterblick. Aus der Höhe wirft man einen Blick auf die Landschaft, um sich eine Karte des Scheiterns zu zeichnen. Was führt hier zu wem, was behindert, was täuscht, was kann Erleichterung verschaffen, was kann ich mir zunutze machen. Das muss man nicht alleine machen, sondern man kann, man sollte sich sogar Unterstützung suchen, sozusagen einen Co-Piloten. Eine wohlmeinende, affirmative, aber zugleich distanzierte und unbestechliche Person. Sie darf von der Krise nicht selbst betroffen sein, damit sie wirklich zur Analyse beitragen kann. In jedem Fall muss es jemand sein, für den Scheitern kein Tabu, kein Schrecken darstellt.

Was ist das Ziel dieser Analyse im Helikoptermodus?

Es geht darum, wieder positiv denken zu können. Grundlage dafür ist, sich seine Wünsche und Stärken bewusst zu machen. Was will ich? Was kann ich gut? Wie kann ich das nutzen, um eine neue Perspektive zu bekommen? Wesentlich ist Gedankenhygiene. Die grübelnde Rückschau ist genauso abträglich wie angstvolle Blicke in eine ungewisse Zukunft. Wenn wir immer über den negativen Ausgang nachdenken, tun wir unbewusst alles dafür, dass es tatsächlich so übel kommt, wie wir es vorhersehen. Die klassische „self-fulfilling prophecy“.

Ist das, was Therapeuten und Psychologen Resilienz nennen, also keine gegebene Eigenschaft, sondern eine Haltung oder Verhaltensweise?

Es ist eine Strategie und damit auch erlernbar. Wobei ich „Resilienz“ übersetzen möchte: Für mich geht es dabei um mentale und emotionale Widerstandsfähigkeit. Diese entwickelt man durch den unbedingten Willen und auch den unerschütterlichen Glauben daran, Niederlagen überleben zu können. Diese Strategie ist eine Methode der Selbstbehauptung, der Selbstermächtigung gegenüber der kulturell bedingten Tabuisierung des Scheiterns und der Gescheiterten.

Haben Sie einen Ratschlag, den Sie als Sofortmaßnahme immer empfehlen würden?

Ich bin überzeugt, dass es bereits hilfreich ist, sich bewusst zu machen: Jede Krise hat auch ein Ende. Klingt komisch, ist aber so. Dass es stimmt, merkt man, wenn man Ballast abwirft, zum Beispiel das dicke Auto, dessen Leasingraten drücken, durch ein einfacheres ersetzt. Wenn man die teure Sportausrüstung verkauft oder in eine kleinere Wohnung zieht. Schon atmet man leichter. Man tut aktiv etwas zur Entspannung der Situation – und es tut auch gar nicht so weh! Am wichtigsten aber: Man belohne sich! Jeder kleine Fortschritt sollte gefeiert werden. So kommt das positive Denken ganz von allein.

Der Autor Felix Maria Arnet, Jahrgang 1968, durchlebte mit seinen ersten beiden Unternehmen alle Höhen und Tiefen unternehmerischen Schaffens. Nach der Insolvenz seines zweiten Unternehmens, einer fast 20 Jahre lang erfolgreichen Webeagentur, stand er beruflich wie privat vor dem Aus. Doch nach einer kurzen Phase der Lethargie gelang Arnet das Comeback, und er begründete nach mehreren fundierten Ausbildungen als systemischer Executive Coach mit der LATTAL Enterprise Gesellschaft für Unternehmensberatung seine neue Profession. 2015 wurde er dafür mit dem Change Award für die mutigste Veränderung ausgezeichnet. Felix Arnet lebt und arbeitet in Wiesbaden und ist Vater von einem erwachsenen Sohn.
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Eintrag vom: 09.08.2017  




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