Erinnern Sie sich noch daran, wann der Flughafen BER ursprünglich fertig werden sollte? Nun scheint klar zu sein, dass es auch in diesem Jahr mit der Eröffnung nichts mehr wird. Eine höchst originelle Idee, was - neben nachlässigen Politikern und haarsträubend falschen Planungen - noch dazu beigetragen haben könnte, liefert (mit einem gewissen Augenzwinkern) Rudolph Herzog in einer der Geschichten seines belletristischen Debüts "Truggestalten".
In diesem Buch ist nichts so, wie es zu sein scheint. Zwar ist Berlin auch hier eine schillernde Stadt, eine pulsierende Metropole und Partyhauptstadt, die Künstler, Hipster, Start-up-Manager und kapitalistische Glückssucher aus aller Welt anzieht - doch bei Herzog brechen verdrängte Gestalten aus der Geschichte der Stadt wieder an die Oberfläche.
In sieben Episoden, die sich gegenseitig kommentieren und vervollständigen, werden Menschen des geschichtsvergessenen neuen Berlin von der Vergangenheit eingeholt. Manche sehen Unheil kommen, wie der alte Hausmeister, der fürchtet, dass durch Grabungen im Hinterhof seine lange verschütteten Geheimnisse aufgedeckt werden. Andere versuchen, den Phantomen zu entkommen. Nur eine ist mutig genug, in den nächtlichen Straßen Berlins auf Geisterjagd zu gehen. Und trifft dabei auf eine finstere Gestalt, die die Berliner Flughäfen heimsucht und immer wieder den Bau des BER aufzuhalten versucht.
"Truggestalten" ist ein Berlin-Buch voller Winkelzüge, Absurditäten und düsterer Überraschungen. Ein belletristisches Debüt, das das hierzulande unterschätzte Genre der Schauergeschichte zu neuem Leben erweckt, und mit diesen Genre-Trick auf eingängige und verstörende Weise Vergangenheit und Gegenwart der deutschen Geschichte kontrastiert.
Der Autor Rudolph Herzog ist Filmregisseur, Produzent und Autor. Mit seinem Buch "Heil Hitler, das Schwein ist tot!" (2007) über Humor im "Dritten Reich" löste er ein breites Medienecho aus, die englische Übersetzung wurde von Atlantic zum "Book of the Year" ernannt. Bei Galiani erschien 2012 das Sachbuch "Der verstrahlte Westernheld" über Absurditäten und Gefahren der Nutzung der Atomenergie, das Herzog auch verfilmte.
Verlag Galiani 2017, 256 Seiten, EUR 20,00 (D), 20,60 (A)
ISBN 978-3-86971-148-5 |