Hörstück von Andreas Fervers
Nach dem gleichnamigen Zyklus aus dem Gedichtband »Prosperos Land«
von Peter Waterhouse
Komposition und Realisation: Andreas Fervers
Produktion: SWR 2010
Länge: 56 Minuten – Ursendung
Dienstag, 05.10.2010, 23.03 Uhr, SWR2
Dar as-sina’a: ein arabisches Wort für Werkstatt oder auch Fabrik, verwandt unserem Wort Arsenal – Waffenlager. In Venedig gibt es ein riesiges Gebiet, das sich so nennt – Arsenale – eine ehemalige Schiffswerft, die schon von Dante in der “Göttlichen Komödie” besungen wurde und die noch heute zu wesentlichen Teilen der venezianischen Marine unterstellt ist. Kaum merklich bezieht sich Peter Waterhouses Gedichtband auf Venedig. Hier steht nicht ein Ort der kulturellen Schätze und Schönheiten im Mittelpunkt oder gar eine der touristischen Sehenswürdigkeiten. Mit seinen kargen Beobachtungen bewegt der Autor sich am Rand der Stadt, dort, wo gearbeitet wird, wo der Alltag stattfindet, in Werkstätten und Industrieanlagen. Sein Thema ist aber auch das Venedig des Handels, das Beziehungen pflegte zu fremden Ländern des Orients. So sind – trotz aller formalen Strenge der Sprache – die Räume weit und offen, die Entfernungen groß in diesem Text: Das Unscheinbare trifft auf Bedeutendes, das Nahe spiegelt sich im Fernen, das Reale steht neben dem Wunderbaren. Nach “E71” (DLR Kultur 2001) und “Jauntal-Übersetzung” (SWR 2009) ist Andreas Fervers Hörstück “dar as-sina’a” das dritte und letzte einer Trilogie, in der formal sehr ähnliche Gedichtzyklen von Peter Waterhouse als Textgrundlage dienen. Ein weiteres Mal ändert sich die Blickrichtung: Waren es zunächst die Bedrohung von außen und die Schrecken des Balkankrieges in “E71”, dann die Konfrontation mit der hermetischen Rätselhaftigkeit der Idylle in “Jauntal-Übersetzung”, so geht hier der Blick nach außen, richtet sich dabei mal auf das ganz Nahe, quasi vor den Füßen Liegende, mal auf das Entlegene und Ferne. Im Gegensatz zu beiden vorherigen Stücken ist in “dar as-sina’a” ein realer Ort – Venedig – akustisch präsent, oftmals lokalisierbar im Gebiet des Arsenale, aber auch auf Spielplätzen, Baustellen, an Anlegestellen, in Häfen etc. Die mannigfaltigen Facetten dieses akustisch realexistenten Ortes stellen den Ausgangs- und Orientierungspunkt dar für den Aufbruch in weitere, fiktive und artifizielle Räume – von Sprache, Stimmen, Klängen, Musik. Mit der hörbaren Bindung an das Leben der Stadt hat “dar as-sina’a” eine viel realistischere, lebensnähere Tendenz als die beiden ersten Stücke der Trilogie, der Blick nach außen, auf die Welt, bringt das Gefühl einer Art distanzierter Heiterkeit mit. |