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Freiburg: „Im neuen Haus am alten Platz“
Stadtbibliothek feiert 50 Jahre am Münsterplatz

Geburtstag am 17.12. mit Festvortrag und neuer Infothek

Bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts befand sich die städtische Bücherei am Münsterplatz, doch nach der Zerstörung des Gebäudes im Zweiten Weltkrieg begann eine Odyssee, die erst 1963 endete, als die Stadtbibliothek das neu errichtete Gebäude an der Nordseite des Münsterplatzes bezog. Nun feierte Freiburgs meistgenutzte Kultureinrichtung den 50. Jahrestag ihrer Wiedereröffnung.

Nach der Einführung durch Kulturbürgermeister Ulrich von Kirchbach, der auf 50 Jahre Buch- und Mediengeschichte zurückblickte, hielt Monika Ziller, Geschäftsführerin des Landesverbands Baden-Württemberg im Deutschen Bibliotheksverband, einen Vortrag über die „Zukunft des Lesens und die Rolle der öffentlichen Bibliothek“. Es folgte ein Gespräch mit Ingeborg Freitag, deren Vater Hans Schmidt die Stadtbücherei von 1953 bis 1955 kommissarisch leitete.

Im Rahmen der Geburtstagsfeier wurde auch die neue Infothek präsentiert. Die Zeitungs- und Zeitschriftenzone ist großzügiger bemessen und lädt mit bequemen Sesseln zum Lesen, Informieren, Entspannen ein. An nunmehr zehn Computern erhält, wer einen gültigen Bibliotheksausweis besitzt, kostenfreien und unkomplizierten Zugang zu Internet, Datenbanken und Office-Programmen. Für digitales Know-how steht auch die „E-Reader-Bar“, an der in Ruhe verschiedene elektronische Lesegeräte ausprobiert werden können.

Ob die Zukunft des Buches nun auf dem Papier oder digital stattfindet – für beides ist die Stadtbibliothek bestens gerüstet. So konnte sie 2011 die intensivste Nutzung in ihrer langen Geschichte feiern: 1,6 Medien wurden in diesem Jahr ausgeliehen. Und seitdem hält sich die Ausleihe auf diesem hohen Niveau.

Gegründet wurde die „Städtische Volksbibliothek und Volkslesehalle“ 1901 am Münsterplatz. In der NS-Zeit wurden ihre Buchbestände brachial ausgedünnt, am 27. November 1944 schließlich fiel sie wie ein großer Teil der Freiburger Altstadt dem alliierten Luftangriff zum Opfer. Nach Kriegsende wanderte sie unter dem Namen „Städtische Volksbücherei“ von einem provisorischen Ort zum anderen, bis sie wieder am Münsterplatz ankam. 1957 beschloss der Gemeinderat die Wiedererrichtung einer Bibliothek als zweistufiges Bauprojekt: Im Juli 1959 konnte bereits als erster Abschnitt die Kinder- und Jugendbücherei eröffnet werden, am 11. Dezember 1963 schließlich folgte die Stadtbücherei – „im neuen Haus am alten Platz“, wie die Stuttgarter Zeitung seinerzeit titelte. Neu war damals die sogenannte Freihandaufstellung, bei der die Nutzer selbst Zugriff auf die Bücher haben, und die revolutionäre Ausleihabwicklung mit dem Einsatz von Lochkarten und einem Verbuchungssystem mit Mikrofilm.

Überhaupt erweist sich die Entwicklung der Stadtbibliothek seit 1963 als ein Rundgang durch die Geschichte der modernen Medien: 1964 wurde im Obergeschoss die Musikbücherei eröffnet, die damals neben Noten und Fachliteratur auch Schallplatten enthielt, die nicht entliehen, aber in eigenen Hörkabinen angehört werden konnten. In den siebziger Jahren brach die Ära der Audiokassetten an, 1981 erweiterte die nun wieder als „Stadtbibliothek“ firmierende Einrichtung ihr Angebot um Literatur-Hörkassetten, 1985 auch um Spiel- und Dokumentarfilme auf Videokassetten, um dem rasant wachsenden kommerziellen Verleih ein Programm mit Bildungsanspruch entgegenzusetzen. 1988 bekamen die Benutzer erstmals die Möglichkeit, sich mit einem Schachcomputer zu messen, zugleich wurden die ersten Musik-CDs angeschafft.

Drei Jahre später begann die bis heute anhaltende Zusammenarbeit mit der „Bibliothèque Municipale de Mulhouse“, deren Bücherbus voller französischer Medien bis heute regelmäßig auf dem Münsterplatz halt macht. 1992 wurde der erste Computer zur Literaturrecherche aufgestellt, ein Jahr darauf beschloss der Gemeinderat den großen mehrjährigen Umbau, der das Haus den veränderten Nutzungsbedürfnissen anpasste. 1994 tauchten die ersten CD-ROMs für die Bildschirmarbeit im Bestand auf, und mit dem OPAC wurde vom althergebrachten Zettelkatalog auf die elektronische Suchmöglichkeit umgestellt. Die ersten Computerspiele auf CD-ROM wurden 1998 angeschafft, im Jahr darauf wurde der erste, damals noch kostenpflichtige Internet-Arbeitsplatz in der Bibliothek eingerichtet und zugleich der bis heute bestehende Info-Point Europa geschaffen.

2001 gab es bereits zwei Internet-Plätze, die allerersten DVDs wurden angeschafft und das Freiburger Musikverzeichnis nun elektronisch erfasst. 2008 wurde die Ausleihe weitgehend auf Selbstbedienung umgestellt, und die bis heute bestehende Schülersprechstunde „InfoScout“ kam dazu. Seit 2009 können digitale Medien wie elektronische Zeitschriften, E-Books oder Hörbücher direkt über die sogenannte „Onleihe“ entliehen werden. Seit 2010 fördert das „Schulbibliotheksnetz“ die Einrichtung von Schulbibliotheken mit deutsch- und fremdsprachigen Medien, außerdem kann man fortan auch Konsolenspiele ausleihen. Wiederum ein Jahr später tauchen im Bestand E-Book-Reader und die allerersten Blue-Ray-Discs mit Filmen auf, noch ein Jahr später wird der „Wegweiser Bildung“ im Gebäude untergebracht.

Bei der Vorstellung der neuen „E-Reader-Bar“ betonte Bibliotheksleiterin Elisabeth Willnat, die die Stadtbibliothek seit 2004 leitet, dass trotz des Booms des elektronischen Lesens das klassische Buch „aus Papier“ keineswegs auf dem Rückzug sei: „56 Prozent der bei uns ausgeliehenen Medien sind nach wie vor Bücher.“ Offensichtlich geht es bei der Konkurrenz zwischen Digital und Print nicht um ein „Entweder-Oder“, sondern um ein „Sowohl-als-auch“ – und die Zukunft des Buches ist bis auf weiteres gesichert.
 
Eintrag vom: 19.12.2013  




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