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Donnerstag, 28. März 2024
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Buchtipp: Helene Henke "Totenmaske"
Zoe: jung, klug, schön; Beruf: Bestatterin

Zufrieden strich Zoe über die Wange der Toten, deren Kälte ihr schon lange nichts mehr ausmachte. Keine bläulichen Verfärbungen dank der Schräglage im Aufzug, wodurch verhindert wurde, dass einer Leiche das Blut ins Gesicht laufen konnte. Nachdem sie den Körper sowie sämtliche Körperöffnungen sorgfältig mit Desinfektionsspray eingesprüht hatte, legte sie den Kopf der Frau in eine Nackenstütze. Draußen prasselte der Regen gegen die Fensterscheibe, als wollte er sich den Klängen des Klaviersonetts anpassen, das inzwischen im Radio gespielt wurde. Mit einer Pinzette griff Zoe einen in Desinfektionsmittel getauchten Wattebausch und säuberte die Ohren sowie die Nasenlöcher. Mehrmals wechselte sie die Watte aus, strich unter den Wimpern und den bereits schwarz verfärbten Fingernägeln entlang.

»Die werde ich später in einem hübschen Perlmuttrosa lackieren«, versprach Zoe der Toten. Sie redete gern mit ihren Schlafenden. Schließlich hatte sie es mit Menschen zu tun, auch wenn diese nicht mehr antworteten. Es brachte eine Atmosphäre der Unvergänglichkeit in den Raum, zeigte, dass das Leben einem sich ständig wiederholenden Ablauf folgte. Und zum Leben gehörte auch der Tod.

Die 21-jährige Zoe versteht es meisterhaft, Verstorbene für das Begräbnis herzurichten. Nach dem Tod ihres Großvaters übernimmt sie das traditionelle Familienunternehmen. Respektvoll bereitet sie die Verstorbenen für ihre »letzte Reise« vor und macht sich schnell einen Namen als jüngste Bestatterin Deutschlands. Die Bewohner des kleinen Dorfs im Hunsrück stempeln die ungewöhnliche junge Frau jedoch schnell als Sonderling ab. Als eines Tages Boris und seine zwei Freunde auf ihrem Behandlungstisch landen, findet sich Zoe rasch im Kreis der Verdächtigen wieder – hatte doch einer der jungen Männer Zoe vor ein paar Jahren fast vergewaltigt. Das BKA ermittelt. Die Stimmung im Dorf gleicht einem Hexenkessel, als Zoe plötzlich spurlos verschwindet.

Der Krefelder Autorin Helene Henke ist ein außergewöhnlicher Kriminalroman mit einer außergewöhnlichen Heldin gelungen. Die junge Bestatterin Zoe, die sich bei den Toten oft geborgener fühlt als bei den Lebenden, ist eine Heldin, die lange im Gedächtnis bleibt.

Droemer Verlag 2013, 432 Seiten, EUR 14,99
ISBN: 978-3-426-22632-2
 
Eintrag vom: 28.11.2013  




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