Stadt und Landeszentrale für politische Bildung stellen in öffentlicher Veranstaltung Band zum Landesjubiläum vor
Prof. Ulrich Eith referiert über Wyhl am Kaiserstuhl als einen der baden-württembergischen „Erinnerungsorte“ und Impuls für tiefgreifende politische und zivilgesellschaftliche Veränderungen
„Baden-württembergische Erinnerungsorte“ heißt eine dickleibige Sammlung mit rund 50 Beiträgen renommierter Autorinnen und Autoren, die anlässlich des 60jährigen Landesjubiläums von der Landeszentrale für politische Bildung (LpB) herausgegeben worden ist. Die Aufsätze schildern Orte und historische Ereignisse, die für die Entwicklung des Bundeslandes von Bedeutung waren. Zu ihnen zählt auch die Kaiserstuhl-Gemeinde Wyhl, die Mitte der 1970er Jahre im Mittelpunkt einer heftigen Auseinandersetzung um das damals geplante und niemals realisierte Atomkraftwerk stand. Seitdem gilt Wyhl als Synonym des ersten – und bisher einzigen – erfolgreichen Widerstands gegen Atomkraft.
Der Freiburger Politikwissenschaftler und Leiter des Studienhauses Wiesneck, Prof. Ulrich Eith, untersucht in seinem Beitrag „Nai hämmer gsait! – Stilbildender ziviler Widerstand am Kaiserstuhl“ die Rolle von Wyhl für die Veränderungen in der Parteienlandschaft, für das Wachsen von zivilgesellschaftlichen Bewegungen und ein Umdenken in der Umwelt- und Klimaschutzpolitik.
In einer gemeinsamen Veranstaltung stellen die Stadt Freiburg und die Landeszentrale für politische Bildung den Band am Dienstag, 2. Oktober, um 18 Uhr im Historischen Ratssaal des Rathauses vor. Dazu sind interessierte Bürgerinnen und Bürgerinnen herzlich eingeladen. Nach einer Einführung durch Oberbürgermeister Dieter Salomon und Staatsministerin Silke Krebs sowie den Direktor der LpB, Lothar Frick, referiert der Autor Prof. Ulrich Eith.
Den erfolgreichen Protest gegen das AKW Wyhl nennt Eith eines der Schlüsselereignisse für den politischen Wandel seit den 1970er Jahren bis zum Wechsel 2011 in der Landesregierung. Gleichzeitig sind mit Wyhl neue Protest- und Beteiligungsformen als Mittel legitimer demokratischer Einflussnahme gewachsen, die bis „Stuttgart 21“ fortwirken. Und schließlich hat Wyhl den Anstoß für eine Veränderung der politischen Landschaft durch die Grünen sowie durch zivilgesellschaftliche Bewegungen gegeben, die über studentische und alternative Milieus weit in bürgerliche Kreise hinein reichen. Eith: „Wyhl steht erstens für den Beginn der Anti-Atomkraftbewegungen in der Bundesrepublik Deutschland, zweitens war der Widerstand in Wyhl stilbildend für den Aufschwung der so genannten Neuen Sozialen Bewegungen ab Mitte der 1970er Jahre, und drittens gelten bis heute die Ereignisse in Wyhl als eine entscheidende Wegmarke zur Gründung und Etablierung der Grünen im Südwesten“.
Ausführlich beschäftigt sich der Politikwissenschaftler auch mit den Wirkungen auf die Freiburger Stadtpolitik. Neben den politischen Verschiebungen im Gemeinderat hat Wyhl die heutige Profilierung Freiburgs als „Green City“ und als führendes Zentrum der Umweltwirtschaft angestoßen: Vom „Lokalen Energieversorgungskonzept“ 1986 mit erklärtem Vorrang der erneuerbaren Energien bis zu den heute gültigen Klimaschutzbeschlüssen und zum Boom der Umwelt- und Solarwirtschaft in Stadt und Region. |