von Hermann Hesse
Regie: Andrea Leclerque
Produktion: SWR 2012
Länge 53 Minuten
Gab es das in Gottes Welt, dass ein Mensch, ein Knabe, gleichzeitig alle hohen und alle bösen Triebe in sich hatte und leiden und verzweifeln musste, nur so als eine unglückliche und komische Figur, zum Vergnügen des zuschauenden Gottes? Gab es das? Und war dann nicht – ja war dann nicht die ganze Welt ein Teufelsspott, gerade wert, sie anzuspucken?! War dann nicht Gott ein Scheusal, ein Wahnsinniger, ein dummer, widerlicher Hanswurst? – Ach, und während ich mit einemBeigeschmack von Empörerwollust diese Gedanken dachte, strafte mich schon mein banges Herz durch Zittern für die Blasphemie!
Ein Junge kommt heim und hat ein schlechtes Gewissen, ohne recht zu wissen, warum. In einem furiosen Monolog entfaltet sich das Seelenpanorama eines unterdrückten Rebellen, das stark autobiographische Züge trägt:Hesses Kindheit und Jugend ist geprägt von Verweigerung, Protest und Ausbruchsphantasien bis hin zum versuchten Suizid. Die Erzählung »Kinderseele« erschien erstmals 1920. Die pietistische Missionswelt, in der er aufwuchs, sei von dem Prinzip geprägt gewesen, so Hermann Hesse noch als 60-Jähriger, »dass des Menschen Wille von Natur und Grund aus böse sei, und dass dieser Wille erst gebrochen werden müsse, ehe der Mensch in Gottes Liebe und in der christlichen Gemeinschaft das Heil erlangen könne.« Das Werkzeug für die Brechung dieses Willens ist in »Kinderseele« der Vater. Doch nicht der strafende Vater, sondern die selbst-verschuldete Anpassung ist der größte Feind des freien Menschen.
Samstag, 11.08.2012, 21.03 Uhr, SWR4 BW Mundarthörspiel |