Gespräch mit dem Autor
Guten Tag, Herr Wanninger. „Schwaben-Sehnsucht“ heißt der 25. Fall für Steffen Braig und Katrin Neundorf vom Stuttgarter LKA. Im neuen Krimi geht es um Mord an einem nach außen unbescholtenen Naturprodukte-Unternehmer. Es stellt sich die Frage, ob es sich um einen Racheakt handelt oder um die Folge vermehrter Proteste gegen seine Geschäftspraktiken. Was hat Sie zu dem Titel und der Geschichte inspiriert?
Klaus Wanninger: Verschiedene im Gesundheitsbereich tätige Verwandte und Freunde berichten mir seit Jahren von deutlich rücksichtsloserem und egoistischerem Verhalten mancher Patienten. Selbst in der Ausübung ihrer Arbeit wurden sie schon gestört. Dies veranlasste mich nach vielen ausführlichen Gesprächen mit Klinik-, Notfall- und Landärzten zu meinem neuen Krimi. Dass in jahrelanger Tätigkeit mit täglichen Notarzteinsätzen die Sehnsucht nach einer etwas heileren Welt entstehen kann - wie in „Schwaben-Sehnsucht“ beschrieben - scheint mir nachvollziehbar.
Klaus Wanninger wäre nicht Klaus Wanninger, wenn er nicht die Welt der Schönen, Reichen, Moralischen „dekonstruieren“ würde. In der Rückschau: Welchen Ihrer 25 Titel finden Sie selbst am gelungensten, am realistischsten oder am aktuellsten?
Klaus Wanninger: Fast alle meine Krimis greifen aktuelle gesellschaftliche Probleme auf. Meistens wurde ich von den Erfahrungen mir nahestehender Menschen dazu inspiriert. Das rücksichtslose Mobbing und die hinterhältigen Intrigen, die eine junge Verwandte als angehende Krankenhausärztin erleben musste, schildere ich etwa in „Schwaben-Fest“. Wer glaubt, Psychopathen in leitenden Positionen, die ihre Mitarbeiter terrorisieren, seien in unserer Zeit nicht mehr zu finden, sollte sich genauer umhören. Die seit einigen Jahren wieder ansteigende Zahl schwerstverletzter und getöteter Opfer der Raserei im Autoverkehr veranlasste mich zu „Schwaben-Teufel“. Im Gegensatz zu Ländern wie etwa der Schweiz wird dieses kriminelle Verhalten von vielen Entscheidungsträgern unserer Gesellschaft immer noch sträflich verharmlost. Ob mir die Darstellung der jeweiligen Problematik gelungen ist, muss jede Leserin selbst entscheiden.
Ihre Krimis spielen in Stuttgart, im Remstal und auf der Schwäbischen Alb. Wie hat sich die Region in den letzten 25 Jahren verändert? Beobachten Sie vielleicht bei den Menschen, die dort leben Veränderungen? Oder gibt es Themen, die heute mehr brennen als damals?
Klaus Wanninger: In den letzten 25 Jahren, in denen ich meine Krimis veröffentlicht habe, veränderte sich unser Alltag unter dem Einfluss der neuen un-sozialen Medien merklich. Stammtischparolen, die man sich früher kaum anhören musste, werden jetzt in der Öffentlichkeit ausgebreitet, die abstrusesten Fantasien als real verbreitet. Ich fürchte mehr und mehr um die Grundlagen unserer Demokratie. Was ich etwa in „Schwaben-Wut“ als Folgen allzu intensiven Fernsehkonsums ausführte, wird jetzt von der Internet-Sucht vieler Menschen noch übertroffen.
Blicken wir zurück auf den ersten Fall mit dem Titel „Schwaben-Rache“. Hier geht es um zwei Familien mit Rachegelüsten und um einen Vorsitzenden eines großen Autoclubs, der überfallen wird. Man weiß nicht, ob es sich um private Rache oder um grünen Terror handelt. Hatten Sie damals schon vor, eine Reihe zu schreiben, in der auch Umweltschutz auf der Alb eine Rolle spielt?
Schon in meinem ersten Krimi „Schwaben-Rache“ spielte die Zerstörung unserer ökologischen Lebensgrundlagen durch unseren unverantwortlichen Lebensstil eine zentrale Rolle. Wie sich die Probleme bei der Veränderung der klimatischen Bedingungen verschärft haben, wollte ich in meiner „Schwaben-Zukunft“ (Band 23, der im Jahr 2073 in Stuttgart spielt) exemplarisch zeigen. Dass es mir gelungen ist, aus einem ersten Buch jetzt eine Reihe von 25 Krimis mit immer denselben Hauptpersonen zu entwickeln, hätte ich mir damals nicht mal im Traum vorstellen können.
Seit 2000 schreiben Sie jährlich einen Schwaben-Krimi und das mit sehr großem Erfolg! Gibt es auch eine Art Motivator beim Schreiben oder eine Selbstbelohnung wie zum Beispiel „den Cappuccino danach“?
Klaus Wanninger: Auch nach 25 Büchern besteht die schönste Belohnung darin, den Moment zu erleben, dass die in Papier gefasste Arbeit der letzten 12 bis 15 Monate vor mir liegt. Viele Autoren berichten, dass zur Entstehung einer Buchseite eine Flasche Wein beitrug. In meinem Fall ist das Schreiben nicht mit einem alkoholischen Getränk, wohl aber dem ausgiebigen Genuss von Schokolade verbunden. Pro Seite eine Tafel, das könnte hinkommen, gerne auch mehr, gleich, welche Sorte. Und natürlich optimiert Kaffee das kreative Doping.
Vielen Dank für das Interview. |