Neue Ausstellung im Augustinermuseum blickt hinter den Mythos der Region
Der knallrote Bollenhut gilt heute als Markenzeichen des Schwarzwalds. Aber wer hat diese Kopfbedeckung so bekannt gemacht und damit auch das Bild der Region geprägt? Der aus Sachsen stammende Künstler Wilhelm Hasemann (1850–1913) war bei seiner ersten Reise in das kleine Dorf Gutach so entzückt von Landschaft, Menschen und Trachten, dass er sich dort niederließ und eine Malerkolonie gründete. Ab Samstag, 22. Juli, blicken Besuchende in der Ausstellung „Wilhelm Hasemann und die Erfindung des Schwarzwalds“ über seine Schultern. Bis Sonntag, 24. März 2024, zeigt die Schau, wie der Mythos von dunklen Wäldern, saftigen Wiesen, stattlichen Höfen und natürlich dem Bollenhut entstanden ist.
Wilhelm Hasemann war ein Meister der Inszenierung. Er komponierte seine Gemälde bis ins letzte Detail, wich dabei aber auch stets ein bisschen von der Realität ab. Unzählige Fotografien und Skizzen dienten ihm als Vorlagen. Auch wenn er einzelne Elemente immer wieder nutzte und unterschiedlich kombinierte – die reich verzierten Trachten und architektonisch ausgefeilten Höfe stellte er möglichst realistisch dar. Hier sah sich der Künstler als Hüter der Tradition und ihm war an einer exakten Überlieferung gelegen. Besonders spannend: Der eigentlich nur in Gutach, Kirnbach und Reichenbach getragene Bollenhut und die zugehörige Tracht waren gar nicht seine Lieblingsmodelle. Die mit Goldfäden bestickte Haube der Mühlenbacher Tracht taucht in seinen Bildern noch häufiger auf.
Hasemann inszenierte Bauernhäuser mit den prominent weit nach unten ragenden Dächern, einen Brautzug in tiefverschneiten Wäldern und rotwangige junge Frauen mit traditioneller Kleidung. In seinen Gemälden entwarf er mit viel künstlerischem Geschick Gutach und die Region als einen Ort, der von dem industriellen und technischen Fortschritt völlig unberührt zu sein scheint. Jutta Götzmann, Leitende Direktorin der Städtischen Museen Freiburg, sagt: „Wir freuen uns sehr, dass wir Hasemanns künstlerischen Prozess in 14 Themenbereichen so anschaulich zeigen können. Das gelingt uns auch dank zahlreicher Leihgaben von persönlicher Korrespondenz des Künstlers über idyllische Landschaftsbilder bis hin zu detaillierten Porträtgemälden.“
Zu sehen sind 65 Gemälde, zahlreiche Reprofotografien, Vorstudien, Zeichnungen und Skizzen, Buchillustrationen und Postkarten. Hasemanns Arbeitsweise offenbart erstaunliche Parallelen zu den sozialen Medien der Gegenwart mit Filterfunktionen, Optimierungswahn und der Jagd nach dem perfekten Bild. Würde er heute leben, hätte er vermutlich ein makelloses Online-Profil. Und womöglich wäre er an einem regen Austausch interessiert. Denn er produzierte nicht nur unzählige Postkarten für ein breites Publikum – originale Korrespondenzen zeigen in der Ausstellung auch, dass die Meinung seiner Auftraggeberinnen, Auftraggeber und der Familie für Hasemann sehr wichtig waren.
Besucherinnen und Besucher haben an verschiedenen Stationen die Möglichkeit, in Hasemanns Kunstwerke einzutauchen: Ausgestellt sind originale Trachtenstücke, die Hasemann für die Ausstattung seiner Modelle nutzte, und Fotografien, die den Künstler bei der Arbeit zeigen. Ob vor Ort oder per Instagram – eine virtuelle Hutstation lädt Interessierte ein, selbst einen Strohzylinder oder einen Bollenhut anzuprobieren. Aber auch die liebste Atelier-Kulisse des Malers, ein „Herrgottswinkel“, findet sich als begehbarer, eigens von den Zentralen Werkstätten hergestellter Nachbau wieder und lädt Neugierige ein, sich selbst zu inszenieren.
Kuratiert wurde die Ausstellung von Mirja Straub, zuständig für den Bereich Malerei und Plastik des 19. und frühen 20. Jahrhunderts am Augustinermuseum. Vielfältige Bildungsangebote, Veranstaltungen und Führungen begleiten die Schau. Familien mit Kindern können mit einem Rallye-Heft, konzipiert durch die Referentin für Kunstvermittlung Beate Reutter, auf Spurensuche gehen.
Der Katalog zur Sonderausstellung ist im Imhof Verlag erschienen und für 26,95 Euro im Museumsshop oder im Online-Shop der Städtischen Museen Freiburg und für 29,95 Euro im Buchhandel erhältlich. Das Augustinermuseum am Augustinerplatz ist dienstags bis sonntags von 10 bis 17 Uhr und freitags bis 19 Uhr geöffnet. Der Eintritt kostet 8 Euro, ermäßigt 6 Euro. Für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene unter 27 Jahren, Mitglieder des Freundeskreises und mit Museums-Pass-Musées ist der Eintritt frei.
Alle Veranstaltungen gibt es unter freiburg.de/hasemann. Der eigens für die Ausstellung entwickelte Hutfilter ist auf den Social-Media-Kanälen des Augustinermuseums ab sofort verfügbar: instagram.com/augustinermuseumfreiburg und facebook.com/augustinermuseum
zum Bild oben:
Wilhelm Hasemann: Gutacherin mit Bollenhut, nach 1880, Sammlung Goiny
(c) Foto: Axel Killia / Augustinermuseum – Städtische Museen Freiburg |