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Buchtipp: Dirk Brauns "Wir müssen dann fort sein"
Ein packender Roman, in dem es ums Ganze geht, ein Buch wie ein Rausch

Oliver Hackert arbeitet als Korrespondent einer deutschen Tageszeitung in Minsk, seine Kolumne über das Leben dort wird von Redaktion und Lesern sehr geschätzt, als kleines Fenster in eine oft bizarr erscheinende fremde Welt: den weißrussischen Alltag. Doch dann eröffnet sich ihm die wohl größte Chance seiner journalistischen Karriere, und er steht vor der Frage, was er aufs Spiel zu setzen bereit ist.

Denn über sein hervorragendes Netzwerk innerhalb Weißrusslands bekommt Hackert die Möglichkeit, ein exklusives Interview mit dem berüchtigten Diktator des Landes zu führen, als erster westlicher Journalist seit Jahren. Jenem Diktator, der dafür bekannt ist, politische Konkurrenten oder sonstige unliebsame Personen einfach verschwinden zu lassen. Und genau das ist der Punkt, an dem Hackert ansetzen will: Was wird passieren, wenn man den Machthabenden direkt mit heiklen Fakten konfrontiert?

Doch um in den Besitz solcher heiklen Fakten zu gelangen, muss der Journalist einen sehr privaten Umweg nehmen: Nach zehn Jahren Funkstille nimmt er wieder Kontakt zum verhassten Vater, einem ehemaligen Volkspolizisten und systemtreuen DDR-Schriftsteller, auf; sein Besuch im alten Heimatort wird für Oliver zu einer schwierigen Reise in die eigene Vergangenheit, die bis heute dunkle Schatten auf sein Leben wirft. Den 75. Geburtstag des Vaters will der Sohn nutzen, um Kontakt zu Oleg Mitrochin zu bekommen. Der alte Studienfreund des Vaters ging nach der Wende nach Weißrussland und wurde dort Gefängnisdirektor. Unlängst aber tauchte er unter, weil er mit seinem Gewissen nicht länger vereinbaren konnte, was in dem Minsker Gefängnis – auf Anweisung des Regimes – geschieht. Oliver vermutet, dass sein Vater weiß, wo er Mitrochin finden kann.

Oliver will die Sache unbedingt durchziehen, auch wenn sie nicht nur ihn angeht. Sollte der journalistische Coup gelingen, sind auch seine über alles geliebte weißrussische Frau Darja, das gemeinsame Kind und Darjas weitere Familie gefährdet. Doch die Sache scheint Oliver das Risiko wert. Aber dann eskaliert die Situation auf allen Ebenen: das Treffen mit dem Vater endet im Desaster und kurz vor dem konspirativen Treffen mit Mitrochin in Minsk wird Oliver klar, dass er überwacht wird – ist sein Interview beim Diktator womöglich nur eine Falle für Mitrochin?

Dirk Brauns hat einen vielschichtigen Roman geschrieben, sprachlich dicht und mit verschiedenen Stilelementen spielend, einen Roman von großer, dunkler, treibender Kraft, der auf meisterhafte Weise Elemente des Politthrillers mit aktuellen Ereignissen verknüpft, der seinen Protagonisten aufs Spannendste in politische und private Konflikte stößt und der seinen Lesern quasi en passant einen detailreichen, spannenden und so noch nicht gesehenen Einblick in die Seele Weißrusslands eröffnet.

»Das Buch ist ein Rausch, ein Trip, der im Inneren laut scheppert. Ich fühle mich tief erkannt als Mensch. Ich folge dem Geschehen, getrieben von einer Spannung, ähnlich dem ›who done it‹ im Krimi, nur dass es hier ein ›who done what‹ ist. ... Ein tolles Buch, welches ich wirklich gerne weitergeben werde.« Charly Hübner

Dirk Brauns, geboren 1968 in Ost-Berlin, lebt in der Nähe von Fürstenfeldbruck.
Romane, Hörspiele, Reportagen, Theaterprojekte, Wanderungen. Buchveröffentlichungen: Berlin – München. Zu Fuß (1997). Im Inneren des Landes (2012) Café Auschwitz (2015)
Brauns lebte lange in Minsk und später als Korrespondent der Berliner Zeitung in Peking und Warschau. 2013 erschien sein von der Kritik hoch gelobter Roman Im Innern des Landes, dessen Hörspielfassung Hörspiel des Monats und zum ARD-Hörspielpreis eingereicht wurde. Eine Verfilmung ist in Vorbereitung. Für "Wir müssen dann fort sein" recherchierte er auch ausgiebig im Milieu verfolgter Exilweißrussen.

Galiani Berlin 2016, 336 Seiten, EUR 19,99 (D), 20,60 (A)
ISBN 978-3-86971-120-1
 
Eintrag vom: 31.03.2016  




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